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Motiv Angst

Motiv Angst

Titel: Motiv Angst
Autoren: Antje Szillat
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Klassenzimmer öffnete sich und Jan trat ein. Diesmal war der Raum leer. Seine Mutter und sämtliche Schüler waren einfach verschwunden. Er setzte sich auf seinen Platz und wischte sich die Tränen aus den Augen. Wie von dichtem Nebel umhüllt sah er plötzlich Victor auf sich zukommen. Er schleppte etwas hinter sich her. Jan konnte nicht erkennen, was es war – irgendein Sack, an einem langen Strick. Langsam löste sich der Nebel und Jan entdeckte, dass in dem Sack etwas zappelte. Victor stand nun direkt vor seinem Tisch und grinste Jan fies an. Jan wollte weglaufen, aber er schaffte es einfach nicht, aufzustehen. Victor legte seine Hand um Jans Kehle – er drückte zu, immer fester und fester. Jan röchelte verzweifelt nach Luft. Aber der Schraubstockgriff, mit dem Victor Jans Kehle umklammert hielt, wurde nur noch fester. Doch plötzlich ließ er Jan los. Jan fiel vom Stuhl und landete direkt neben dem Sack. Der Strick, mit dem der Sack verschnürt war, löste sich ein bisschen und Jan konnte einen blonden Haarschopf darin erkennen. „Das ist Nico, das ist doch Nico“, schrie er. Victor schnauzte Jan an. „Das geht dich nichts an, du Sau!“ Doch Jan zog an der kleinen Öffnung, bis sie immer größer wurde und Nico herauskriechen konnte. Jan sprang auf und zog Nico mit sich hoch. Inzwischen waren Victors Typen aus der Gang ins Klassenzimmer getreten. Jan hielt Nico fest am Handgelenk umklammert, er zog ihn mit sich Richtung Ausgang. Doch Nico wehrte sich und fing an zu weinen. „Weglaufen nützt nichts, die kriegen uns doch sowieso“, kreischte er und versuchte sich aus Jans Griff zu lösen. Aber Jan hatte plötzlich unglaubliche Kräfte und zog Nico wie eine Stoffpuppe einfach hinter sich her. Victor und seine Gang hatten sich im Klassenraum verteilt und versuchten Jan und Nico einzufangen. Doch Jan war stark – er schob sie einfach zur Seite, wenn sie sich ihm und Nico in den Weg stellten. Schließlich hatten sie es geschafft und rannten den Schulgang entlang. Sie rannten und keuchten und die Gang verfolgte sie laut grölend. Am Ende des Ganges stand Herr Böker, er sah die Jungen auf sich zulaufen, schüttelte den Kopf und ging einfach weg. „Helfen Sie uns“, schrie Jan, aber Herr Böker war schon verschwunden. Die Gang kam immer näher, Jan konnte schon ihren Atem in seinem Nacken spüren. Nico weinte und rief laut, dass sie nun sterben müssten. Die machen uns alle, die machen uns alle. Seine Stimme überschlug sich fast vor Panik. Mit letzter Kraft rannte Jan durch die Pausenhalle. Nico war verschwunden. Die Gang auch. Nur noch Victor war hinter ihm. „Meine Finger, du hast mir meine Finger gequetscht“, grölt er. Jan stieß im Laufen die Tür zum Schulhof auf und sprang durch die Öffnung ins Freie. Doch da war kein Schulhof – vor ihm lag ein tiefer Abgrund. Auf dessen Boden entdeckte Jan Tausende von Nacktschnecken. Dicke, braune und schwarze, schleimige Nacktschnecken. Und mittendrin lag Nico. Jan wirbelte durch die Luft und landete mit einem lauten „Platsch!“ direkt neben Nico.
    Als Jan die Augen aufriss, lag er neben seinem Bett. Mit pochendem Herzen rappelte er sich hoch und versuchte zu begreifen, dass er nur geträumt hatte. Der Wecker stand auf 4:01 Uhr. Jans Kehle brannte und das Dröhnen in seinem Kopf wurde fast unerträglich. Er öffnete vorsichtig die Tür und schlich sich die dunkle Treppe hinunter in die Küche. Mit zittrigen Händen öffnete er den Kühlschrank und holte sich eine Flasche Saft heraus. Einen Becher benutzte er nicht, er trank direkt aus der Flasche. Jan blieb eine Weile lang einfach nur in der Küche stehen und nahm hin und wieder einen Schluck aus der Saftflasche. Sein Kopf war völlig leer, bis auf das entsetzliche Dröhnen konnte er weder etwas spüren noch denken. Schließlich stellte er die Flasche zurück in den Kühlschrank und marschierte die dunkle Treppe wieder hoch. Im Bad brannte jetzt Licht.
    â€žMama?“ Jan trat an die Tür des Badezimmers, die sich langsam öffnete und einen goldenen Lichtkegel in den dunklen Flur entließ. Jan sah seine Schwester Jule vor dem Waschbecken stehen. Sie wusch sich die Hände.
    Als sie Jan in der geöffneten Tür stehen sah, zuckte sie heftig zusammen. „Spinnst du!“, kreischte sie ihn an. Ihre Augen, die eben noch ganz schlaftrunken
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