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Motiv Angst

Motiv Angst

Titel: Motiv Angst
Autoren: Antje Szillat
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Bock!“ Langsam stieg ihr die Röte ins Gesicht.
    â€žHättest du vielleicht die Güte und würdest uns das erste Kapitel vorlesen?“, versuchte sie es bei einem blonden Mädchen, das ebenfalls in der letzten Reihe saß.
    â€žNa sicher, aber nicht heute“, antwortete sie schnippisch und erntete dafür ein paar Lacher. Frau Bender biss sich auf die Unterlippe. Am liebsten wäre sie weggelaufen, stattdessen sagte sie leise: „Wer erklärt sich denn freiwillig bereit, das erste Kapitel zu lesen?“
    Absolute Stille. Keine Hand hob sich. Frau Bender nahm das Buch in die Hand und begann selbst zu lesen. Sie las Seite für Seite und starrte dabei wie gebannt auf die schwarzen Buchstaben. Nur nicht in die hämisch grinsenden Gesichter blicken müssen, dachte sie verzweifelt und fühlte sich dabei ohnmächtig vor Wut.
    Sie hörte erst auf zu lesen, als die Schulglocke das Ende der Stunde ankündigte. Die Schüler der Klasse 8b, in der sie gerade eine bittere Vertretungsstunde gegeben hatte, schlenderten betont lässig an ihr vorbei. Ein Schüler besaß sogar die Frechheit, ihr im Rausgehen „Nett gelesen!“ zuzuraunen. Dann war sie endlich allein im Zimmer.
    Sie legte das Buch auf den Lehrertisch, nahm den Schwamm aus der Tafelablage, hielt ihn unter den Wasserhahn und begann die Tafel abzuwischen. Und dann kamen die Tränen, die sie schon den ganzen Vormittag verzweifelt versucht hatte zurückzuhalten. Schon als kleines Mädchen wollte sie Lehrerin werden – schon immer war es ihr größter Wunsch, Kinder zu unterrichten und ihnen etwas beizubringen. Doch in diesem Moment wusste sie wirklich nicht mehr, warum. Als sie endlich wieder in der Lage war, das Klassenzimmer zu verlassen, kam ihr der Schulleiter Herr Böker auf dem Gang entgegengeeilt.
    â€žGut, dass ich Sie treffe“, sagte er und schaute ihr direkt in das verheulte Gesicht.
    â€žHaben Sie etwa geweint?“ Seine Stimme klang wie immer, wenn er Probleme auf sich zukommen sah, ziemlich barsch.
    Frau Bender suchte angestrengt nach einer möglichst belanglosen Erklärung für ihre Verfassung. Keinesfalls wollte sie, dass der Schulleiter etwas von ihrer Angst, die sie Tag für Tag in dieser Schule mit sich herumtrug, bemerkte. Doch mehr als ein leises „Nein, mir ist nur was ins Auge geflogen“ fiel ihr beim besten Willen nicht ein.
    â€žDas muss aber ein großes Tier gewesen sein“, meinte er skeptisch. Er räusperte sich geräuschvoll, bevor er fortfuhr.
    â€žWie auch immer. Frau Gehrmann hat mir berichtet, dass es vorhin Probleme mit einem Schüler gegeben hat. Stimmt das?“ Sie nickte.
    â€žUnd wären Sie wohl auch so freundlich, mir zu erklären, um welche Art von Problemen es sich dabei gehandelt hat?“ Seine Stimme klang nach Ärger.
    â€žEin Junge aus der Klasse 5a ist gestolpert und dabei mit der Stirn gegen einen Garderobenhaken gefallen.“
    â€žWar ein anderer Schüler an diesem
Vorfall
beteiligt?“
    â€žDer Junge behauptet, er wäre von ganz alleine gestolpert.“
    â€žUnd was behaupten Sie?“
    â€žIch glaube, dass der Victor Wolf aus Herrn Manteys Sechsten ihn brutal gestoßen hat.“
    â€žSie glauben oder Sie wissen es, Frau Bender? Das ist ein ganz großer Unterschied.“
    Er wartete ihre Antwort gar nicht ab und fuhr mit einer Stimme, die Frau Bender jede Lust nahm, etwas zu behaupten, was er absolut nicht hören wollte, fort.
    â€žUnsere Schule kann im Moment wirklich keinen weiteren Ärger mit Eltern gebrauchen, Frau Bender. Das ist Ihnen doch wohl klar?“ Wieder gab er ihr keine Gelegenheit zu antworten.
    â€žIn letzter Zeit ist einfach zu viel passiert. Wenn ich nur an das Theater denke, das die Eltern von diesem Nico hier veranstaltet haben.“ Er verzog das Gesicht, als ob er große Schmerzen hätte. „Wie steht unsere Einrichtung denn da, wenn ständig irgendwelche Eltern ihre Kinder wegen ein paar Raufereien gleich von der Schule nehmen?“
    Frau Bender hatte nicht den Eindruck, dass er auf diese Frage von ihr eine Antwort hören wollte. Also schwieg sie weiter.
    â€žDie Eltern von diesem Jungen ... diesem ... wie heißt er denn noch mal ...?“
    â€žJan!“
    â€žGenau, diesem Jan. Die Mutter ist Rechtsanwältin und der Vater bei der Presse. Wussten Sie das?“
    â€žNein!“ Frau Bender war sich auch wirklich
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