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Moskito

Moskito

Titel: Moskito
Autoren: Nancy Kress
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sagte Joe. »Weiß ich. Und jetzt kommen Sie!«
    Sie machten sich umgehend auf den Weg zum Büro des neuen Direktors, wichen Gefrierschränken und Kollegen aus und gaben sich alle Mühe, nicht in unprofessionellen Galopp zu verfallen.
     
    Cavanaugh riß den nächsten Pappkarton auf und wühlte sich hindurch. Verdammt, wo waren nur seine Krawatten? Gut, Abigail hatte die blaue mit den roten Büchlein darauf zernagt, und auf die braune war Senf getropft. Senf, so hatte der Mensch in der Reinigung in einem Tonfall erklärt, der Cavanaugh verriet, daß er das eigentlich wissen sollte, Senf also ging nicht raus! Aber damit blieben immer noch acht oder neun Krawatten irgendwo! Und an diesem Tag, seinem ersten in der Dienststelle Baltimore, wollte er einen ordentlichen Anzug mit Krawatte tragen.
    Ohne rechte Hoffnung klappte er einen Koffer auf und dann noch einen Pappkarton. Erst am Vortag war alles aus Leonardtown in Baltimore angekommen. Im Koffer befanden sich Winterpullover. Im Pappkarton Geschirrtücher, zwei nicht zusammenpassende Laken, gestreifte Zierkissen, die er – er hätte es schwören mögen – in seinem Leben noch nie gesehen hatte, und sein Jahrbuch aus der Highschool. O Gott, das war der schlimmste Umzug von allen, dachte er. Wo waren seine Krawatten? Wo war sein Spaghettitopf und sein Bademantel? Und wem gehörten diese Zierkissen?
    Er gab es auf und machte sich zwischen Kartons, Büchern, Styroporkügelchen und Abigails Kauknochen hindurch auf den Weg zur Tür. Er hätte furchtbar gern seine eMail durchgesehen und dazu eine Tasse Kaffee getrunken, aber die Maus hatte sich irgendwie von ihrem Computer verabschiedet, und im Moment war noch keine Milch im Kühlschrank. So gesehen, war auch der Kühlschrank noch nicht eingeschaltet, aber vermutlich befanden sich ohnehin nur Kartons darin, und vermutlich voll mit fremden Krawatten.
    Das einzige, was er finden konnte – was er immer finden konnte, weil es solch eine Vielzahl davon gab – waren Briefe von Earl Lester. Der Junge schrieb ihm drei- oder viermal die Woche, Briefe voll mit Informationen über obskure Insekten. Offensichtlich hatte Earl Cavanaugh, dem nicht einmal bewußt geworden war, daß er dafür zur Verfügung stand, adoptiert. Cavanaugh antwortete, so oft es ging, aber er wußte, er war kein eifriger Briefeschreiber. Doch er fühlte sich in gewisser Weise verantwortlich für Earl; vielleicht wäre es das einfachste, dachte er, Samstag hinunterzufahren nach Rivermount und dem Jungen zu irgendeinem Computer aus zweiter Hand zu verhelfen. Dann konnten sie auf eMail umsteigen. Und Earl konnte sein Ungeziefer on-line erforschen, wodurch ihm weniger Zeit bliebe, um Cavanaugh zu schreiben.
    Natürlich konnte Cavanaugh im Augenblick nicht einmal alle Bestandteile seines eigenen Computers finden, geschweige denn jemand anderen mit einem versehen. Ganz abgesehen vom Auffinden seiner Krawatten.
    Er floh in die geordnete heitere Gelassenheit des Staus auf dem Beltway zur morgendlichen Stoßzeit.
     
    Die Größe des cremefarbenen Backsteingebäudes, in dem die Dienststelle Baltimore untergebracht war, begeisterte ihn. Das Gedränge der Agenten in den Gängen begeisterte ihn. Der Umstand, daß keiner davon Seton war, begeisterte ihn. Er betrat Felders’ Büro.
    »Soso. Sechs Minuten zu spät am ersten Tag. Ein neuer Job, und Sie konnten keine Krawatte umbinden?«
    »Ich habe versucht, in … Vergessen Sie’s. Schön, Sie zu sehen, Marty.«
    »Das wird sich noch herausstellen. Schade, daß Sie spät dran sind, denn Sie haben eine Einsatzbesprechung, und zwar in vierzehn Minuten, was Ihnen kaum Zeit läßt für den Papierkram, die Suche nach Ihrem Wagen und für die Einholung erster Informationen über den Fall.«
    »Ein Fall? Ich habe einen Fall?« sagte Cavanaugh. »Was für einen?«
    »Einen großen. Bankraub hier in der Stadt, vergangene Nacht, drei Millionen Dollar. Aber das ist nicht das Wesentliche an der Sache. Es gibt da gewisse Verbindungen zu ähnlichen Verbrechen in anderen Bundesstaaten, zur organisierten Kriminalität, möglicherweise auch zu den Gewerkschaften … Große Sache. Und heiß.«
    »Sehr heiß. Bin ich …«
    »Auch heiß? Sieht so aus. Hier, Bob, das soll ich Ihnen geben.«
    Er reichte Cavanaugh ein Blatt. Dickes, weiches Papier mit einem Dekorrand und dem erhabenen FBI-Siegel. Noch bevor er las, was daraufstand, wußte Cavanaugh bereits, was es war: eine spezielle Anerkennungsurkunde für verdeckte FBI-Tätigkeit.
    So würde
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