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Moskito

Moskito

Titel: Moskito
Autoren: Nancy Kress
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es also ablaufen. Anerkennungen. Große Fälle. Und wahrscheinlich andere Freundlichkeiten, die direkt oder indirekt von ganz oben auf ihn herabrieselten … Belohnte Broylin Cavanaugh für sein patriotisches Schweigen oder erhöhte er nur die Chance, daß es eingehalten wurde?
    Egal. Auf diese Weise funktionierten Bürokratien eben.
    Felders setzte sich auf die Schreibtischkante, kreuzte die Knöchel und wippte mit dem linken Fuß. »Also – verheimlichen Sie mir was, Bob? Habe ich Ihnen all diese schönen Sachen über Fort Detrick umsonst verschafft, oder wie?«
    Cavanaugh sah Felders unverwandt an. »Fragen Sie mich nicht, Marty.«
    »›Fragen Sie mich nicht‹. Na gut. Dann eben nicht. Haben Sie’s schon gehört von Seton?«
    Felders kreuzte die Knöchel andersrum und wippte jetzt mit dem rechten Fuß. »Geht vorzeitig in Rente. Große Abschiedsparty nächste Woche.«
    Und auch das war die Weise, wie Bürokratien funktionierten. Man hatte Seton zweifellos vor die Wahl gestellt: Was möchten Sie lieber? Daß sich die Dienstaufsicht mit dem riesigen Haufen falscher 302er befaßt, die Sie im Lauf der Zeit geliefert haben, oder Ihren Namen unter einen erfundenen Bericht über einen Informanten setzen, dem auch eine Untersuchung erspart bleibt, wenn er denselben erfundenen Bericht unterschreibt? Seton hatte sich für letzteres entschieden. Und der Betrug hatte ihn wahrscheinlich überhaupt nicht gestört, solange nur eine Handvoll FBI-Beamte die Wahrheit kannten. Seton begab sich mit einer netten Abschiedsparty und voller Pension in den Ruhestand, und seine Karriere wurde offiziell nur von einem einzigen Fall von Fehleinschätzung eines Informanten überschattet. Konnte jedem passieren.
    Im Unterschied zu Felders wußte Cavanaugh jedoch, daß Seton damit nur Strafaufschub gewährt wurde. Denn wenn die Regierung schließlich mit dem ganzen Fall gegen die IRA vor die Öffentlichkeit trat, würden die Journalisten jedes Detail jeder Handlung jedes Beteiligten ausgraben – und das schloß Seton mit ein. Und dann würden sie ihm bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Cavanaugh empfand fast Mitleid mit ihm. Aber nur fast.
    Felders sagte: »Die Besprechung ist in neun Minuten. Im Konferenzraum.«
    »Bin schon unterwegs.«
    »Und schwingen Sie Ihren Arsch heute abend zu uns nach Hause. Zum Abendessen.«
    Cavanaugh grinste. »Zu Befehl, Chef.«
    Er fand sein Büroabteil, gab sein Paßwort in den Computer ein und überprüfte es, indem er seine eMail abrief. In zwei Minuten war er zurück in Felders’ Büro. »Marty? Sagen Sie, könnte ich mir die Einladung für heute abend gutschreiben lassen? Genaugenommen – könnte ich gleich nach der Fallbesprechung abhauen?«
    »Abhauen? Warum?«
    Cavanaugh dachte daran zu sagen. Ich muß noch auspacken; überall diese Kartons, und ich kann nicht mal meine Krawatten finden, aber ein Blick in Felders’ Gesicht ließ ihn davon Abstand nehmen. Er und Felders waren immer ehrlich miteinander gewesen. Und Marty war – immer schon und nach wie vor – sein Freund.
    »Es ist wegen Judy. Gestern habe ich ihr Blumen geschickt und einen Brief, aber sie antwortete gerade eben mit einem eMail, und …« Männer redeten darüber nicht so miteinander! Nicht einmal Männer, die Freunde waren! Judys eMail hatte gelautet: Danke für die Rosen. Ruf nicht an.
    »Judy?« sagte Felders. »Macht sie Stunk?«
    »Nein. Es ist mehr mein Fehler.«
    »Ich fand immer schon, sie ist zu gut für Sie.«
    »Ja«, antwortete Cavanaugh einfach, und die beiden Männer starrten einander an. Dann hob Felders die Schultern. »Also kümmern Sie sich um sie. Aber nach der Besprechung. Sie können die verlorene Zeit übers Wochenende einarbeiten. Und wenn Sie’s noch mal einrenken können, dann will ich nichts mehr davon hören.«
    Was, wie Cavanaugh wußte, heißen sollte: Viel Glück!
     
    Nach der Besprechung raste er zu Judys neuem Apartment. Es lag in einer akzeptablen, aber nicht erstklassigen Gegend von Washington, D.C. Sie kam in Shorts und T-Shirt an die Tür, und ihr rotes Haar war zerzaust, weil sie daran gezupft hatte, was bedeutete, daß sie am Schreiben war.
    Sie stand reglos vor ihm. »Robert.«
    »Judy! Die siehst wundervoll aus!« Und das entsprach der Wahrheit. Sie war schlanker, gebräunter, lebendiger. Was hatte sie mit sich angestellt? Und hinter ihr sah das Apartment auch anders aus als alles, was er an Judys Behausungen bisher kennengelernt hatte. Leerer, minimalistischer. Nicht die Spur von
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