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Moskito

Moskito

Titel: Moskito
Autoren: Nancy Kress
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unvollständiger Beweise, mit berechtigten Zweifeln und ohne jede Garantie, wie die Zukunft aussehen würde. Er mußte sich trotz allem entscheiden.
    Zögernd sagte er: »Sie haben meine Zusage, über alles, was in irgendeiner Weise mit Malaria reading zu tun hat, zu schweigen.«
    »Ihr Land dankt Ihnen. Frau Doktor Anderson?«
    Sie starrte immer noch auf jene Stelle an der Wand, wo sich Afrika befunden hatte. Cavanaugh wußte, er würde ihr nie von Michael Sean Donohues Verbindungen zur IRA erzählen. Ihre Sorge galt allein Afrika, das sie weiterhin für das an erster Stelle stehende Zielgebiet hielt. Nur um Afrika zu schützen, würde sie versprechen zu schweigen.
    Sie sagte: »Ein Jahr? Heute in einem Jahr werden Sie entweder Ihre Untersuchungen abgeschlossen haben oder mir sagen, wer es war?«
    »In einem Jahr«, bestätigte Broylin.
    »Dann …« Sie schluckte und setzte von neuem an, »dann ja. Dann werde ich nicht damit zur Presse gehen. Oder es irgend jemand anderem erzählen.«
    »Vielen Dank.«
    Eine lange Pause, voll von unausgesprochenen Worten, komplex und in sich gedreht wie DNA. Schließlich brach Melanie das Schweigen: »Und was jetzt? Sind wir frei und können gehen?«
    »Sie waren immer frei und konnten gehen, Doktor Anderson. Man hat Ihnen nie etwas vorgeworfen, und dies ist keine Polizeiwache.«
    Melanie schnaubte, und die seltsam dicke Atmosphäre löste sich auf. »Richtig. Müssen wir etwas unterschreiben?«
    Sie war wirklich nur Wissenschaftlerin. Als ob irgend etwas von alldem je vom FBI schriftlich niedergelegt werden würde – oder von der CIA oder vom Weißen Haus, falls dieses darin verwickelt war, was Cavanaugh eher bezweifelte; es wäre nicht das erste Mal, dachte er, wenn ein Präsident über die verschlungenen Wege der CIA nicht Bescheid wüßte.
    »Keine Unterschriften nötig, Frau Doktor Anderson. Agent Cavanaugh, Ihr Wagen steht in der Mitarbeitergarage; ich habe dafür gesorgt, daß er hergebracht wird.«
    Und durchsucht, ohne Zweifel. Verwanzt auch? Vielleicht. Egal. Cavanaugh wollte ihn ohnehin gegen einen neueren eintauschen. Er setzte alles auf eine Karte: »Werde ich den Wagen in Singleton, North Dakota, brauchen, Sir?«
    »Nein. Sie werden zurückversetzt an die Dienststelle Baltimore.«
    Baltimore. Unter Felders. Es war keine Bestechung; Cavanaugh hatte sich ja schon zum Schweigen verpflichtet. Dann also eine Belohnung. Oder eine Versüßung, um ihn daran zu erinnern, wieviel er beinahe verloren hätte.
    Das Herzstück hatte gehalten, nur die Ränder waren so ausgefranst und beschmutzt wie zuvor.
    »Also, dann gehen wir«, sagte Melanie nicht besonders freundlich.
    Im Aufzug wurde die Unfreundlichkeit zu Nachdenklichkeit. Aber sie wartete, bis sie beide in Cavanaughs Wagen saßen und aus der Parkgarage fuhren, um zu sagen: »Robert.«
    »Ja?«
    »Das war die erste Besprechung, in der ich Sie nicht kritzeln sah.«
    Sie hatte recht; er war nicht einmal auf den Gedanken gekommen zu kritzeln.
    Mit völlig veränderter Stimme sagte sie: »Und wieviele Menschenleben haben wir heute gerettet?«
    Er warf einen schnellen Seitenblick auf ihr starres Gesicht und antwortete leise: »Viele, Melanie. Sehr viele.«
    »Ist es wirklich wahr?«
    »Ich glaube es, ja.« Auf der Grundlage unvollständiger Beweise, mit berechtigten Zweifeln und ohne jede Garantie, wie die Zukunft aussehen würde. Er bog in die Constitution Avenue ein.
    »Aber glauben wir es, weil es wirklich wahr ist, oder weil wir es so furchtbar gern glauben wollen?«
    Er wußte, diese Frage konnte er nicht beantworten, also versuchte er es erst gar nicht.

ZWANZIG
     
    Die ganze Wissenschaft ist nicht mehr als eine Verfeinerung alltäglichen Nachdenkens.
    - Albert Einstein, Physik und Realität, 1936
     
     
    Melanie stellte den Wagen auf seinem üblichen Parkplatz beim Zentrum für Seuchenkontrolle ab. Als sie ausstieg, kroch ihr augenblicklich die Hitze von Atlanta in die Nase, in die Kleidung, an die Kopfhaut zwischen den Haaren. O Gott, es mußte schon über dreißig Grad haben, und dabei war es erst halb neun Uhr früh.
    Drinnen herrschte klimatisierte Kälte. Der abrupte Kontrast reizte Melanie zum Niesen. Ihr Büro war im Keller, der sich dank der exzentrischen Architektur der Anlage, die Stockwerke hinzufügte, indem sie sie einen steilen Hang hinabbaute, ein gutes Stück über der untersten Ebene befand. Dieser ›Keller‹ war, wie alle anderen Etagen des Zentrums, gestopft voll mit Gefrierschränken: mit alten
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