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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva
Autoren: B Akunin
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Auftrag ungesäumt, dann kann ich deine Schwäche vergessen und verzeihn. Und bring mir meinen Drachen aus Jaspis auch zurück. Du haftest mit dem Leben für diesen Talisman …
     
    Das Licht hinter der Statue erlischt. Der Unhörbare setzt sich abrupt auf und bleibt reglos sitzen, in derselben Haltung wie der Buddha.
     
    ERZÄHLER
    Beschämt haben den Ninja die Worte des Jonin.
    Wie wahr sie sind, das weiß er, der Unhörbare, wohl
    Er hat sein ganzes Leben nur Tod gesät – wozu?
    Wozu schnitt ohne Zögern er sich die Zunge ab?
    Wozu tat er das alles, wenn er den Weg verlässt?
    Sein Leben wär’ ohn’ Ehre und ohne jeden Sinn.
    Ohne Blut kann nicht leben ein Löwe oder Hai.
    Und ein Shinobi darf nicht weichen von seinem Weg!
    Das sagt er sich, zu stärken seinen erlahmten Geist.
    Im Kampf von Pflicht und Liebe hat nun die Pflicht gesiegt.
     
    Ein Trommelschlag. Der Unhörbare springt auf und erstarrt, in seiner Hand blitzt der Schlangendolch.
     
    Dunkel. Vorhang. Die Bühne wird gedreht.
     
    Viertes Bild
     
    Der Garten vor Ijumis Pavillon. Nacht. Die Falttüren sind geschlossen, aber drinnen brennt Licht. Man sieht die Silhouette der Geisha, die melancholisch die Saiten der Samishen anschlägt. Der Unhörbare schleicht sich heran. Er bleibt vor der Engawa stehen. Zückt den Dolch. Verharrt reglos.
     
    ERZÄHLER
    Und in derselben Nacht noch, dem Schicksal untertan,
    Will der Shinobi redlich erfüllen seine Pflicht.
    Heute soll nun geschehen, was ihn sein Karma heißt.
    Der Mensch kann nicht entrinnen dem vorbestimmten Los.
    Und doch, als der Shinobi die Silhouette sieht,
    Verlangsamt er die Schritte, bleibt unentschlossen stehn …
     
    Er schlägt die Trommel.
    Am Rand der Engawa erscheint Soga. Er entdeckt den Unhörbaren mit dem Dolch in der Hand, zückt das Schwert und stürzt sich wortlos und rasend auf den Mörder.
    Es folgt die Szene eines ungewöhnlichen Zweikampfs: Er geht vollkommen lautlos vor sich. Die Gegner bewegen sich ohne das geringste Geräusch. Das Besondere an der Fechtkunst des Shinobi besteht darin, dass er Hiebe nicht mit der Klinge abwehrt, sondern ihnen mit raschen Bewegungen und Sprüngen ausweicht, hin und wieder sogar mit einem
Salto. Sogas langes Schwert trifft ständig ins Leere. Der Unhörbare hat seinen Dolch wieder weggesteckt, in die verborgene Scheide auf seinem Rücken.
    Das Duell erinnert an ein akrobatisches Ballett oder an Pantomime: Musikalisch begleitet wird es von Ijumis Spiel auf der Shamisen.
    Der Kampf endet auf diese Weise: Der Unhörbare weicht am Apfelbaum einem Schwerthieb aus, und das Schwert spaltet den Baum in zwei Hälften. Soga dreht sich unwillkürlich nach dem fallenden Baum um. Dieser Augenblick genügt dem Unhörbaren, um den Dolch zu zücken und ihn dem Ronin in die Brust zu bohren. Im selben Moment bricht die Musik ab, und das Licht im Pavillon erlischt.
    Der Shinobi fängt den Körper auf, als wolle er ihn umarmen, und lässt ihn langsam zu Boden gleiten. Sich zum Pavillon umschauend, versteckt er, wie Soga im ersten Akt, den Leichnam unter der Engawa. Der Dolch steckt wieder in der Scheide. Dann geht der Unhörbare zur Veranda hinauf. Er öffnet die Falttür einen Spalt, schlüpft hinein und schließt die Tür wieder. Pause.
    Der Erzähler schlägt leise, aber schnell die Trommel, im Rhythmus aufgeregten Herzschlags.
     
    IJUMIS STIMME Wer atmet hier? Wer schaut mich dort aus dem Dunkel an?
     
    Die Lampe geht wieder an. Man sieht die Silhouetten der beiden: Ijumi hat sich auf ihrem Lager aufgerichtet, vor ihr steht der Unhörbare. Die Szene geht als Schattentheater weiter.
     
    IJUMI Ach, du bist es? Ich wusste, du kehrst zu mir zurück!
     
    Der Unhörbare weicht zurück.
     
    Warum nun so verlegen? Verlässt dich schon der Mut? Du denkst, dass ich voll Abscheu dich gleich verjagen will? So wisse denn, ich warte auf dich voll Ungeduld.
     
    Sie streckt ihm die Arme entgegen.
     
    Ich habe schon so viele Liebesschwüre gehört, dass ich mich nicht geniere, mich dir zu offenbarn. Ich liebe dich von Herzen, du sollst mein Schicksal sein. Und es spielt keine Rolle, ob deinGesicht entstellt. Ach, was für dumme Reden! Für mich ist dein Gesicht fortan für alle Zeiten der Schönheit Ideal. Die hübschen Larven werden dagegen hässlich sein, ein widerlicher Anblick, abscheulich anzusehn! Komm, lass mich ohne Maske nun dein Gesicht anschaun! Ich werde dein Vertrauen betrachten als Geschenk!
     
    Ein Trommelschlag. Der Unhörbare reißt sich mit
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