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Moskauer Diva

Moskauer Diva

Titel: Moskauer Diva
Autoren: B Akunin
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Ijumi gegenüber. Sie reden miteinander. Ihre Worte sind nicht zu hören, aber ihre Pantomime erzählt viel: Ijumi spricht hitzig, O-Bara hört aufgeregt zu und verbeugt sich immer wieder zum Zeichen der Dankbarkeit.
     
    ERZÄHLER
(kommentiert ihr Gespräch)
    Das Los der Konkubine – es reizt Ijumi nicht.
    Der Rat von Herrn Kubota ist ihr ganz einerlei.
    Die Ehre des Yanagi jedoch ist höchstes Gut.
    Drum will sie, dass O-Bara den Wettbewerb gewinnt.
    Und sie erzählt ihr alles, was sie erfahren hat:
    Vom Lieblingstanz des Fürsten, vom schlichten Kimono,
    Von den schneeweißen Armen und dem entblößten Hals.
     
    O-Bara zieht den Kragen ihres Kimonos übertrieben weit herunter und krempelt die Ärmel fast bis zur Schulter auf. Ijumi nickt: Ja, ja, genau so.
     
    Und sie verspricht O-Bara, ihr nicht im Weg zu sein.
    Vor Freude weiß die Schwester gar nicht, wie ihr geschieht.
    Vor Rührung liegen beide sich in den Armen dann.
     
    Die Geishas umarmen sich anmutig, wobei sich ihre Wangen nicht berühren, damit die weiße Schminke nicht leidet.
     
    O-BARA Ijumi, meine Liebe! Was für ein schöner Tag! So schwer war der Gedanke des Kampfes gegen dich! Doch du hast mich besiegt und räumst mir frei das Feld. Wie großmütig und edel, ich bin ganz überrascht!
     
    IJUMI Nein, das ist keine Großmut. Ich bin nur überzeugt: Das Los der Favoritin ist nicht mein Herzenswunsch. Du eignest dich viel besser für diesen Lebensplan, ich aber bleibe lieber ganz bindungslos und frei.
     
    Die Geishas umarmen sich erneut, wobei O-Bara sich mit einer Serviette vorsichtig die Tränen aus den Augen tupft. Sie geht hinaus und schließt mit einer Verbeugung die Falttür hinter sich. Unten im Garten bleibt sie vor dem Apfelbaum stehen. Sie schaut zum Pavillon zurück.
     
    O-BARA
(leise)
Danke für deine Hilfe, denn nun weiß ich Bescheid, wie ich das goldne Fischlein ganz sicher fangen kann. Doch will ich nichts riskieren, ich will lieber allein das gute Haus Yanagi vertreten im Palast. Die einzige Rivalin, die mir gefährlich wär, muss aus dem Weg ich räumen – Ijumi, lebe wohl!
     
    Wütend bricht sie den schönsten Zweig des Apfelbaums ab und geht, sich damit Luft zufächelnd.
    Vom anderen Ende der Bühne kommt der Unhörbare und schaut ihr nach.

DRITTER AKT
    Erstes Bild
     
    O-Baras Zimmer. An der Seite brennt eine Papierlaterne. In der Mitte steht in einer vergoldeten Porzellanvase der Apfelbaumzweig. O-Bara schminkt sich. Yuba sitzt neben ihr und reicht ihrer Herrin Döschen, kleine Pinsel und Einreibungen. Nach einem Trommelschlag beginnen die beiden, sich zu bewegen. O-Bara ist in vortrefflicher Stimmung, sie singt vor sich hin und schaut immer wieder zu dem Zweig.
     
    O-BARA
(nach einer Pause)
Wer ist denn dieser Schelm nun? YUBA Ich weiß nicht, was ihr meint.
     
    O-BARA Ich meine deinen Liebsten. Nun sag schon, wer er ist.
     
    YUBA Ach, wie könnt Ihr nur fragen! Ich schwöre, niemand ist …
     
    O-BARA
(fällt ihr ins Wort)
Nein, spar dir deine Schwüre, ich glaube nicht daran. Doch kann ich an den Augen und hundert Zeichen sehn, ob ein Liebhaber da ist und auch, ob er was taugt. Der deine, kann ich sehen, bereitet Freude dir. Darum will ich gern wissen, woher er plötzlich kommt. Nun bist du rot geworden. Dummchen, was ist dabei?
     
    YUBA Euch kann man nichts verhehlen. Er ist … einfach ein Mann.
     
    O-BARA Ist er denn reich?
     
    YUBA Nicht sehr.
     
    O-BARA Das dachte ich mir schon. Dass du so strahlst, liegt also allein am Liebesspiel, nicht daran, dass mit Münzen und Schmuck er dich beschenkt? Du warst ein Dummchen, Yuba,und bleibst es alle Zeit. Pass ja gut auf, sonst kriegst du noch einen dicken Bauch! Gib dich nicht allzu sehr hin der Sinnenfreuden Lust. Die Liebe kann berauschen, doch Nutzen bringt sie kaum.
     
    YUBA Doch ohne ihre Freuden ist ja das Leben trüb …
     
    O-BARA Der Preis für diese Freuden ist leider oft sehr hoch.
     
    YUBA Für eine gute Ware zahl ich gern jeden Preis.
     
    O-BARA
(sich erstaunt umdrehend)
Das ist ja ganz was Neues! Du streitest dich mit mir? Die Fleischeslust ist irdisch, sie wirft dich in den Schmutz und lässt dich darin liegen. Dann bist du nichts mehr wert. Du nichtsnutziges Mädchen! Mein Gott, was bist du dumm! Ich denke, nach Satsumi nehme ich dich nicht mit. Des Fürsten Konkubine braucht eine Dienerin, listig wie eine Füchsin, kein Dummchen so wie dich.
     
    YUBA
(verbeugt sich bis zum Boden)
Verzeiht, ich will mich bessern! Bitte verjagt mich nicht!
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