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Morphium

Morphium

Titel: Morphium
Autoren: Agatha Christie
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wie der Anblick von Roddys Zügen ihr immer wehtat; es ließ sie nicht erbeben in Schmerz und Freude zugleich; stattdessen machte es sie warm und tröstete sie.
    Sie dachte: Wie angenehm sein Gesicht ist… angenehm und komisch – und, ja, tröstlich…
    Sie fuhren weiter.
    Endlich kamen sie zu einem Gittertor und einer aufsteigenden Auffahrt, bis sie ein stilles weißes Haus am Abhang eines Hügels erreichten.
    »Hier werden Sie ganz sicher sein«, sagte er.
    Impulsiv legte sie ihre Hand auf seinen Arm.
    »Sie – Sie werden mich besuchen?«
    »Natürlich.«
    »Oft?«
    »So oft Sie mich haben wollen.«
    »Bitte kommen Sie – sehr oft…«, bat sie leise.

26
     
    H ercule Poirot lächelte: »Sie sehen als mein Freund, die Lügen, die die Leute einem sagen, sind geradeso nützlich wie die Wahrheit.«
    »Haben alle Sie angelogen?«, fragte Peter Lord.
    Hercule Poirot nickte.
    »O ja! Aus dem einen oder andern Grund, verstehen Sie. Die eine Person, für die die Wahrheit eine Verpflichtung war und die es peinlich genau damit nahm – die Person gab mir am meisten Rätsel auf!«
    »Elinor selbst!«, murmelte Lord.
    »Ganz richtig. Die Beweisführung deutete auf sie als Schuldige hin. Und sie selbst, mit ihrem empfindlichen und heiklen Gewissen, tat nichts, um diese Annahme zu zerstören. Da sie sich selbst der Absicht, wenn auch nicht der Tat beschuldigte, war sie nahe daran, den ihr widerwärtigen Kampf aufzugeben und sich eines Verbrechens für schuldig zu erklären, das sie nicht begangen hatte.«
    Peter Lord seufzte erbittert auf.
    »Unglaublich!«
    Poirot schüttelte den Kopf.
    »Gar nicht. Sie verurteilte sich selbst – weil sie an sich selbst einen strengeren Maßstab legte als ein Durchschnittsmensch!«
    »Ja, so ist sie«, nickte Lord nachdenklich.
    »Von dem Augenblick an, da ich meine Untersuchung begann, bestand immer die Möglichkeit, dass Elinor Carlisle des Verbrechens, dessen sie angeklagt war, auch wirklich schuldig war. Aber ich erfüllte meine Pflicht – und dabei entdeckte ich, dass auch gegen eine andere Person Verdachtsmomente bestanden.«
    »Schwester Hopkins?«
    »Zunächst nicht. Roderick Welman war der erste, der meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Auch in seinem Fall fängt es mit einer Lüge an. Er behauptete mir gegenüber, dass er England am 9. Juli verlassen habe und am 1. August zurückgekehrt sei. Aber Schwester Hopkins hatte beiläufig erwähnt, dass Mary Gerrard Roderick Welman sowohl in Maidensford abgewiesen hatte, wie auch nochmals, ›als sie ihn in London sah‹. Mary Gerrard fuhr, wie Sie mir mitteilten, am 10. Juli nach London – einen Tag nachdem Roderick Welman England verlassen hatte. Wann also hatte Mary Gerrard eine Unterredung mit Roderick Welman in London? Ich schickte meinen Einbrecher-Freund an die Arbeit und entdeckte durch Prüfung von Welmans Pass, dass er vom 25. bis 27. Juli in England gewesen war. Er hatte diesbezüglich noch dazu glatt gelogen!
    Ich hatte immer jene Zeit im Auge behalten, wo die Brote auf einem Teller in der Anrichte standen, während Elinor Carlisle unten im Pförtnerhaus war. Doch war mir von Anfang an klar, dass in diesem Fall Elinor das beabsichtigte Opfer gewesen wäre, nicht Mary. Hatte Roderick einen Grund, Elinor Carlisle zu töten? Ja, einen sehr gewichtigen noch dazu. Sie hatte ein Testament gemacht, in dem sie ihm ihr gesamtes Vermögen hinterließ; und durch geschicktes Fragen entdeckte ich, dass Welman das gewusst haben konnte.«
    »Und warum entschieden Sie, dass er unschuldig sei?«
    »Wegen einer anderen Lüge. Einer dummen, unbedeutenden kleinen Lüge noch dazu! Schwester Hopkins sagte, sie habe ihr Handgelenk an einer Rose verletzt, an einem Dorn. Und ich ging hin, sah mir die Rosen an und sie hatten gar keine Dornen… Also war klar, dass Schwester Hopkins gelogen hatte – und die Lüge war so plump und scheinbar so sinnlos, dass sie meine Aufmerksamkeit auf sich zog.
    Ich begann mir über Schwester Hopkins Gedanken zu machen. Bis dahin hatte ich sie für eine völlig glaubwürdige Zeugin gehalten, durchaus konsequent, mit starkem Vorurteil gegen die Angeklagte, das ganz natürlich aus ihrer Neigung für die Tote hervorgegangen war. Doch jetzt, nach jener dummen, sinnlosen kleinen Lüge, überdachte ich Schwester Hopkins’ Aussagen noch einmal sehr genau, und da wurde mir plötzlich etwas klar: Schwester Hopkins wusste etwas über Mary Gerrard, von dem sie sehr wünschte, dass es herauskäme.«
    Peter Lord sagte
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