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Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay

Titel: Morland 01 - Die Rückkehr der Eskatay
Autoren: Peter Schwindt
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hart wie ein Stück Holz. Trotzdem zwang er sich dazu, kleine Stücke abzubeißen und sie im Mund aufzutauen.
    Die Passage oder das, was er dafür hielt, war in der Tat breit wie eine Straße. Zwei Automobile hätten spielend nebeneinander Platz gehabt. Irgendwie musste diese Trasse durch Erosion entstanden sein, eine andere Erklärung fand er nicht. Juri konnte sich nicht vorstellen, dass bei der Verlegung der Bahnstrecke jemand so weit ab von der Baustelle eine Straße planiert hatte, die scheinbar aus dem Nichts kam und hinauf zu einer Bergkette führte, deren Gipfel neuntausend Fuß oder höher sein mochten. Doch je weiter sich Juri den Berg hinaufkämpfte, desto zahlreicher wurden die Anzeichen, dass dieser Weg keine Laune der Natur war. Die Gleichmäßigkeit des Anstiegs wie auch seine Breite ließen keinen anderen Schluss zu. Diese Straße war von Menschenhand errichtet worden.
    Juri hatte sich seiner Ski entledigt und trug sie nun wie ein Wasserträger quer über der Schulter, während am Bauchgurt seines Rucksacks die Karbidlampe baumelte, deren Schein im Dickicht der Kiefernzweige ein verwirrendes Schattenspiel erzeugte. Doch die Vegetation wurde immer spärlicher, je höher er kam. Wind kam auf und blies ihm die ersten Schneeflocken ins Gesicht. Juri zurrte die Kapuze seines Mantels fester und vergewisserte sich, dass die Schneebrille einwandfrei saß. Er hatte die getönten Sonnengläser, die erfür die wenigen hellen Stunden in die Fassung geschoben hatte, fein säuberlich in einer bruchfesten Schatulle verstaut, die nun in der Außentasche seines Rucksacks steckte. Zusammen mit der Wollmaske war sein Gesicht nun einigermaßen vor den Eiskristallen geschützt, die der Wind ihm entgegenpeitschte.
    Zuerst dachte Juri, dass der Wetterumschwung eine Kapriole war. Dann zuckte im Süden ein Blitz auf, der das Gebirge für den Bruchteil einer Sekunde in ein blaues Licht tauchte. Als wäre dies der Startschuss gewesen, heulte der Sturm auf und steigerte sich zu einem Orkan. Hastig suchte Juri hinter einem Felsen Deckung.
    Dann fiel die Temperatur. Juri spürte es sofort an den Händen und Beinen. Sein Gesicht fühlte sich trotz des Schutzes längst taub an. Wenn er hierblieb, würde er erfrieren.
    Er dachte an Iveta, Agneta und die anderen und auf einmal war die Vorstellung, sich einfach der Kälte zu überlassen, überaus reizvoll. Juri kannte die Geschichten, die man sich erzählte. Erfrieren war kein schrecklicher Tod. Man schlief ein und wachte einfach nicht mehr auf.
    Erneut blitzte es und diesmal folgte augenblicklich der Donner. Das Unwetter war direkt über ihm. Juri presste sich flach auf den Boden und verschränkte die Hände im Nacken, als er auf einmal ein weiteres Donnern hörte, ohne dass er vorher das Zucken eines Blitzes wahrgenommen hatte. Das Donnern nahm kein Ende, sondern schwoll so laut an, dass es sogar das Heulen des Windes übertönte. Dann bebte die Erde. Auf einmal begriff Juri, was das bedeutete: Über ihm ging eine Lawine ab!
    Im Schein der Blitze konnte er die Schneewolke sehen, die sich über ihm talwärts walzte. Ohne lange nachzudenken, kam Juri auf die Beine, schnappte seinen Rucksack und rannte den Weg weiter hinauf, um den Berg herum. Den Abhang hinunterzulaufen und so den Schneemassen zu entkommen, war Irrsinn. Dazu war er nicht schnell genug. Aber auch so hatte er ziemlich schlechte Karten.
    Der Schnee, der vom Gipfel auf ihn zuraste, war nicht feucht und schwer, sondern bestand aus feinsten Eiskristallen. Juri versuchte mit rudernden Bewegungen durch die Wolke zu schwimmen, aber schließlich konnte er dem Druck nichts mehr entgegensetzen und er stürzte den Abhang hinunter. Einen kurzen Moment glaubte er zu schweben, dann schlug er hart auf.
    Zu seinem Glück raubte ihm der Sturz nicht das Bewusstsein, sonst hätte Juri nicht die dunkle Öffnung in der Felswand bemerkt, die vor ihm gähnte. Unter Aufbietung seiner letzten Kräfte kroch er auf sie zu. Auf dem Bauch rutschend arbeitete er sich den Schneehaufen hinab und kam auf kaltem Stein zu liegen. Hinter ihm donnerten noch immer die Schneemassen zu Tal. Keuchend schleppte er sich aus der Gefahrenzone und lehnte sich gegen eine Wand. Als er wieder einigermaßen zu Atem gekommen war, fingerte er mit zitternden Händen nach der Karbidlampe. Ihr Glas wie auch der Spiegel waren zerbrochen, aber der Brenner war noch intakt. Juri zog die Handschuhe aus und holte aus einer der vielen Rucksacktaschen ein abgenutztes
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