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Morgenroetes Krieger

Morgenroetes Krieger

Titel: Morgenroetes Krieger
Autoren: Michael Anthony Foster
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von draußen eine sanfte weibliche Stimme rief und dabei den zweisilbigen Liebes-Namen benutzte.
    Nachdem alle einander gut genug kennengelernt ha t ten, war es an der Zeit, den Besuch zu beenden und nach einer größeren Stadt aufzubrechen, die einige Meilen westlich unterhalb der Küste lag und eine größere Au s wahl an verwebungsfähigen Innenverwandten anzubieten hatte. Liszendir nahm nur wenige Sachen von zu Hause mit: ein paar Kleidungsstücke, ihr Musikinstrument, den tsonh , der aus wertvollem dunklen Holz gearbeitet war, und eine Kette mit schlichten, unverzierten Holzperlen, die schon mehrere Generationen alt war. Sie schenkte sie Han mit der knappen Begründung, daß er dadurch an sie erinnert werde. Für Usteyin hatte sie einen weichen Sommerumhang, den sie schon früher getragen hatte. Sie waren beide zutiefst bewegt von diesen Geschenken, die man mit Sicherheit an keinem Ort und in keinem G e schäft kaufen konnte.
    So kehrten sie dann nach Plenkhander zurück. Zuerst wollte Liszendir sie beide fortschicken, da sie sich gut genug um sich selber kümmern könnte, hatte dann aber doch nichts dagegen, als Han und Usteyin darauf besta n den zu bleiben und Han ein Zimmer in einem obskuren, aber komfortablen Hotel mietete; er nahm es für mehrere Monate unter der Bedingung, die Frist auch danach noch verlängern zu können. Seit diesem Zeitpunkt war Lisze n dir in ihrem Wesen weich und nachgiebig geworden, wenn sie nicht gerade die nähere Umgebung bereiste, um sich nach Möglichkeiten der Verwebung umzuschauen; doch stets war es ein völliger Fehlschlag, oder sie kam zu spät, da fast alle Innenverwandten, die in Frage kamen, in festen Händen waren. Erschwert wurde dieses Problem durch einen Aspekt, über den sie mit Han erst sprach, als sie sicher auf Kenten gelandet waren. Mit ihrem Attribut „Feuer“ konnte sie sich nur in einer Webe verweben, der das „Feuer“ noch fehlte, um so die Viererkombination Feuer-Erde-Luft-Wasser zu vervollständigen. Weder Han noch Usteyin konnten ihr dabei helfen, denn kein Ler hätte öffentlich über diese Sache gesprochen, nicht ei n mal untereinander und schon gar nicht mit Menschen, dem Altvolk – das stand völlig außer Frage.
    So warteten sie in Plenkhander und ließen die Zeit an sich vorübergehen. Regen schwärzte die Bäume, die noch des Winters Kraft verspürten und des Nachts im Winde ächzten; der Geruch von Salz und Meer schwä n gerte die Luft in ihrem sanftblauen Zwielicht, und über die kopfsteingepflasterten Straßen ratterten und klappe r ten Hufe und Leiterwagen; kleine Kinder spielten hei m wärtsgehend auf zierlichen Flöten seltsame Melodien oder trugen noch warme Brotlaibe zu jenen bunt g e mischten Ellipsoiden, die unter Platanenbäumen kaue r ten. Sie aßen viel, schliefen ausgiebig, verbrachten die Tage mit Spaziergängen in der regenfeuchten Luft und schauten sich all das an, was ihre Aufmerksamkeit und ihr Interesse weckte. Usteyin wollte gar nicht weg, auch nicht nach Liszendirs Verwebung.
    Die Webe-Häuser waren wie auf Chalcedon niedrige, willkürlich aneinandergebaute Ellipsoiden, meist umg e ben von einer kleinen Mauer und überschattet von großen Bäumen. Dagegen waren die öffentlichen Gebäude eher nach menschlichem Muster entworfen: zwei- oder dre i stöckig, quadratisch oder viereckig und nicht selten mit einer flachen Kuppel als Dach. Zwischen ihnen wanden sich scheinbar plan- und ziellos die Straßen. Wie Han schon von früher wußte, liebten die Ler keine auffallende Kleidung, auch waren sie niemals in Hast und Eile, selbst dann nicht, wenn sie nach Hause gingen. Manche Weben lebten über ihren Geschäften, doch galt dies als ein Ze i chen von Armut – und somit kam es nur selten vor.
    Aber zurück zur Realität, zur Gegenwart. Han näherte sich dem Teehaus, einem offenen, kuppelüberwölbten Gebäude mit Blick auf einen Landungssteg am Wasser. Der Himmel war bleiern und regenverhangen, und eine steife Brise türmte das graue Meer zu mittelgroßen W o gen – dennoch machte es keinen wilden und bedrohl i chen Eindruck, im Gegenteil. Noch nie hatte Han so stark den Pulsschlag des Lebens in seiner ganzen Fülle und Tiefe empfunden. Er schaute hinüber, um zu sehen, ob er unter all den Besuchern im Teehaus Usteyin herausfi n den könnte. Ja. Selbst auf diese Entfernung war ihr rotes Haar unübersehbar – kein Ler hatte eine solche Farbe; zudem trug sie es in lang herabfallenden, wilden Locken. Sie saß ruhig und unbeweglich
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