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Morgenlied - Roman

Morgenlied - Roman

Titel: Morgenlied - Roman
Autoren: Random House
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sie sich den ganzen fünften Juli über auf ihren Gang zur Lichtung vorbereiteten. Ihre Augen blieben trocken, als Cal berichtete, dass es in der Stadt an einigen Stellen brannte und geplündert wurde, dass sein Vater, Chief Hawbaker und ein paar andere Männer taten, was sie konnten, um die Ordnung aufrechtzuerhalten.
    Alles, was getan werden musste, war getan worden. Alles war gesagt worden.
    Am Morgen des sechsten Juli legte sie ihre Waffen an und schulterte wie alle anderen ihren Rucksack. Mit den anderen verließ sie das hübsche Haus am Rand des
Hawkins Wood, um sich auf den Weg zum Heidenstein zu machen.
    Alles war mittlerweile vertraut, die Geräusche, die Gerüche, der Weg. Natürlich war der Wald grüner als vor ein paar Wochen, natürlich sangen mehr Vögel, aber im Prinzip war alles gleich geblieben. Zu Ann Hawkins’ Zeiten war es nicht anders gewesen. Und auch, was Ann Hawkins empfunden hatte, als sie den Wald und den Mann, den sie liebte, verlassen musste, war sicher nicht wesentlich anders gewesen, dachte Cybil.
    Aber zumindest wäre sie selbst am Ende bei ihm.
    »Mein Messer ist größer als deins.« Quinn tippte auf den Dolch an Cybils Taille.
    »Das ist auch kein Messer, das ist eine Machete.«
    »Trotzdem größer. Auch größer als deins«, sagte Quinn zu Layla.
    »Ich bleibe bei meinem Schnitzmesser. Das ist mein Glücksmesser. Wer hat so etwas schon?«
    Sie lenken sich nur ab, dachte Cybil.
    »Cybil«, drang die Stimme verschwörerisch an ihr Ohr.
    Als sie in die grünen Schatten blickte und ihn sah, brach es ihr das Herz.
    »Daddy.«
    »Er ist es nicht.« Gage packte sie am Arm. »Du weißt, dass er es nicht ist.«
    Er wollte nach seiner Pistole greifen, aber Cybil hinderte ihn daran. »Ich weiß, dass es nicht mein Vater ist. Aber lass die Pistole erst mal stecken.«
    »Willst du dich nicht von Daddy umarmen lassen?« Er
breitete weit die Arme aus. »Na komm, Prinzessin. Gib Daddy einen dicken, dicken Kuss!« Damit entblößte er sein Haigebiss und lachte und lachte. Mit den Nägeln riss er sich die Haut vom Gesicht und vom Körper und löste sich in einen Wasserfall aus schwarzem Blut auf.
    »Das ist unterhaltsam«, sagte Fox leise.
    »Ich finde es total überzogen. Schlecht gespielt.« Cybil zuckte mit den Schultern und ergriff Gages Hand. Sie würde sich nicht erschüttern lassen, gelobte sie sich. »Wir übernehmen eine Zeitlang die Spitze«, sagte sie und ging mit Gage nach vorne.

20
    Sie hatten vorgehabt, an Hesters Teich, wo sich die junge Hester Deale nach der Geburt des Kindes, das Twisse gezeugt hatte, ertränkt hatte, Rast zu machen. Aber das Wasser warf rote Blasen und auf der schäumenden Oberfläche trieben die aufgeblähten Kadaver von Vögeln und kleinen Säugetieren.
    »Nicht gerade die richtige Umgebung für ein Picknick«, sagte Cal. Er legte Quinn die Hand auf die Schulter und streifte ihre Schläfe mit den Lippen. »Ist es in Ordnung, wenn wir noch zehn Minuten gehen, bevor wir Pause machen?«
    »Hey, ich kann noch stundenlang gehen.«
    »Aber du bist schwanger. Ihr Frauen seid schwanger.«

    »Uns geht es gut«, sagte Layla. Dann grub sie ihre Finger in Fox’ Oberarm. »Fox.«
    Hinter ihr stieg etwas aus dem brodelnden Wasser. Dann stand eine Gestalt auf der Wasseroberfläche wie auf einer Steinplatte.
    Hester Deale, die das Kind des Dämons geboren hatte und darüber wahnsinnig geworden war, hatte sich schon vor Jahrhunderten das Leben genommen, aber sie war immer noch da und starrte sie aus wilden Augen an.
    »Ihr werdet sie schreiend gebären, die Kinder des Dämons. Ihr seid verdammt! Sein Samen ist kalt, oh, so kalt. Meine Töchter.« Sie breitete die Arme aus. »Kommt zu mir. Ich habe auf euch gewartet. Nehmt meine Hand.«
    Sie streckte ihre Knochenhand aus.
    »Lasst uns gehen.« Fox legte den Arm fest um Laylas Taille und zog sie weg. »VVahnsinn hört anscheinend mit dem Tod nicht auf.«
    »Lasst mich nicht hier! Lasst mich hier nicht allein!«
    Quinn warf mitleidig einen Blick zurück. »War sie das oder nur eine von Twisses Masken?«
    »Das ist Hester.« Layla blickte nicht zurück. »Ich glaube nicht, dass Twisse ihre oder Anns Gestalt annehmen kann. Sie sind immer noch da, deshalb kann er sie nicht nachahmen. Glaubst du, sie kommt zur Ruhe, wenn wir mit dem Ganzen fertig sind?«
    »Ja, das glaube ich.« Cybil sah, wie Hester weinend im Teich versank. »Sie ist ein Teil von uns, wir tun es auch für sie.«
    Sie machten überhaupt keine Pause mehr. Als sie
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