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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern
Autoren: Mechtild Borrmann
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können. Und dann hat er gehört, wie der mit Mutter geredet hat. Dass die ihn rausschmeißen soll. Dass er sonst nie erwachsen wird. Dass er jetzt schon ein komischer Kauz sei. Ja, das hat der behauptet. Er sei ein komischer Kauz. Aber so hat das nicht geklappt. Mutter hat ihn nicht rausgeschmissen. Und darum will er ihn ins Gefängnis bringen.
    Er hat noch einmal alles aufgelistet. Die Videokarte, die Akten, und dass er ihm am Sommeranfang immer gesagt hat, ich komme dann die nächsten Wochen nicht. Dass der mit Jochen und Martin befreundet war. Das sind doch Beweise. Und dass der sich mit Jochen vor vier Tagen getroffen hat.
    Er nimmt den Kopf vor und setzt sich aufrecht. Da! Jetzt hat er es genau gesehen. Die Stirnwand! Sie haben die Stirnwand vorgeschoben. Sie beobachten ihn. Sie schieben immer nur die Wand, die er nicht im Blick hat. Man kann nicht alle vier Wände im Blick haben. Das wissen die ganz genau.
    Der Böhm hat noch gefragt, was an dem Abend passiert ist. Er hat gesagt, dass Jochen vorbeikommen wollte. Sie wollten das wegen dem neuen Mädchen besprechen. Er wollte das nicht, aber Jochen brauchte neue Aufnahmen. Aber dann hat Horstmann angerufen und gesagt, dass er noch mal für ein bis zwei Tage das Haus benutzt. Jochen war wie verabredet um sieben gekommen. Horstmann war noch nicht da, aber der konnte jeden Augenblick kommen und darum ist er in seiner Gaube geblieben. Jochen ist dann weg. Vielleicht ist der später noch mal zurückgekommen und Horstmann hat ihn reingelassen. Das ist auch ein Beweis, hat er gesagt. Der Horstmann hat den gekannt. Sonst hätte er ihn doch nicht reingelassen.
    Der Böhm hat ihn gefragt, ob er das Feuer gelegt hat. Nein, hat er gesagt. Der Böhm hat ihm geglaubt.
    Jetzt sind die zu den Baumzimmern gefahren. Sie werden sie finden.
    Und dann werden sie genau wissen, dass er nicht lügt. Das tut man nicht. Lügen!

    53
    Böhm steht auf Horstmanns Grundstück. Die Ruine im Rücken schaut er zu den schwarzen Baumriesen hinauf. In seinem Traum war er dort in einen Abgrund gefallen.
    Der Himmel ist von diesem glasigen, durchscheinenden Blau. Der Tag hat die Nacht beiseite geschoben und droht mit neuer, unerbittlicher Hitze.
    Lembach arbeitet mit seinen Leuten unter den Birken. Bongartz ist vor einigen Minuten dazu gekommen. Sie haben die dünnen Zweige zur Seite geschoben und hochgebunden, so wie man langes Haar mit Spangen und Bändern hält.
    Dann haben sie sie gefunden. Vier Kinderkörper in unterschiedlichen Verwesungsstadien, notdürftig mit Plastikplanen abgedeckt. Der Gestank hatte sich in kürzester Zeit ausgebreitet und den Platz annektiert. Die Vögel, die den Morgen zunächst mit fröhlichem Gezwitscher begrüßt hatten, waren geflohen oder verstummt.
    Nur der Bach. Der Bach hatte diesen grausamen Fund mit stetigem Plätschern begleitet.
    Wie Kinder, hatte er gedacht. Kinder, die in der Dunkelheit laut singen.
    Sie hatten versucht Frau Zech, die immer noch am Küchentisch gesessen hatte, schonend beizubringen, wonach sie auf ihrem Grundstück suchen müssten. Sie hatte geschrien und mit der Krücke nach Steeg geschlagen.
    „Das ist nicht wahr“, hatte sie immer wiederholt. Immer nur diesen einen Satz. Erst schreiend, dann leiser werdend, leiser und leiser. Wie ein Beschwörung hatte sie ihn zum Schluss flüsternd aufgesagt und dabei den Oberkörper vor und zurück gewiegt.
    Sie hatten einen Krankenwagen gerufen.
    „Nicht tief“, hatte Zech gesagt. „Der Boden war so steinig. Nur dass man es nicht sehen kann. Keine Hügel oder so.“
    Ihm fröstelt. Obwohl es im Vernehmungszimmer warm und stickig gewesen war, hatte er gefroren.
    Dass der Mann krank war, hatten sie ziemlich schnell begriffen. Steeg hatte es erst für einen Trick gehalten, aber dann hatte auch er es eingesehen. Sie hatten die Vernehmung relativ früh unterbrochen und sich beraten. Eigentlich hätten sie ihn ohne einen Arzt oder Psychologen nicht weiter vernehmen dürfen. Auf der anderen Seite wussten sie zu dem Zeitpunkt immer noch nicht, was mit den Kindern war. Er, als leitender Ermittler, hatte die Entscheidung, weiter zu machen, auf seine Kappe genommen.
    Eigentlich kann er jetzt gehen. Er kann nichts tun. Hier kann er nichts tun. Steeg ist nach Hause gefahren. Geflüchtet wie die Vögel.
    Als Lembach die Hand gehoben hatte, als Zeichen, dass sie fündig geworden waren, war Steeg zu seinem Wagen gegangen. „Nein! Bei aller Liebe. Das tu ich mir nicht an. Wenn ich mir das ansehen muss, fahre
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