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Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Titel: Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
Autoren: C.J. Cherryh
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hatte ein Dutzendmal mitanhören müssen, wie Großonkel Lar zwischen den >Knochen des Ashrun< genannten Königshügels zu Tode gestürzt war. Sie atmete vorsichtig aus, wand sich tiefer durch die Öffnung, zerrte ihren Körper hindurch und achtete in ihrem Eifer nicht auf die zarte Haut an ihren Armen.
    Dann lag sie in einem Hohlraum, der die Vorkammer zum Grab gewesen war, ein mit Steinen gepflasterter Zugang, der sich einer hohen Tür entgegenzuneigen schien, deren Öffnung im schwachen Licht kaum auszumachen war. Jhirun stand auf und ertastete mit den Händen die Steine, von denen sie wußte, daß sie sich hier befinden würden. Die erste Fuge befand sich in Kopfhöhe, und an die Oberkante des nächsten Blocks kam sie gar nicht mehr heran. Dies überzeugte sie, daß sie sich in einem Grabmal eines der Ersten Könige nach der Dunkelheit befand, denn keine anderen hatten seither mit solchem Ehrgeiz gebaut oder sich mit solchem Reichtum bestatten lassen.
    Ein solcher Hügel war dies also, und das ohne den Namen eines Königs. Die Grabstätte war uralt und vergessen, sie gehörte zu den ersten, die in der Nähe von Anlas Berg errichtet worden waren, nach jener Tradition, die die Grabmäler der Könige jenen Kräften am nächsten brachte, die sie stets hatten beherrschen wollen, die Kräfte, aus denen sie der Legende zufolge gekommen waren und in die sie stets hatten zurückkehren wollen. Ein vergessener Name, doch er war ein großer König gewesen, ein mächtiger und sicher auch sehr reicher König, sagte sich Jhirun mit klopfendem Herzen.
    Sie durchschritt den Vorraum und tastete sich dabei vorsichtig durch die Dunkelheit. Plötzlich überkam sie eine neue Angst, daß die Öffnung womöglich einem wilden Tier als Zufluchtsort gedient hatte. Sie hielt das nicht für wahrscheinlich, da kein solcher Geruch in der Luft lag; trotzdem wäre es ihr lieber gewesen, sie hätte die Bootsstange mitgebracht oder die Sichel, was noch besser gewesen wäre; doch am meisten vermißte sie eine Lampe.
    Dann erreichte sie den Bereich der Kuppel; hier strahlte Sonnenlicht herab und zeichnete die Umrisse der Dinge am Boden nach, während der eigentliche Strahl sich als Umriß aus goldenem Staub darstellte. Das Licht fiel auf Steine und verschimmelte Ruinen. Jhiruns letzte Bewegung hallte in der gewaltigen Leere über ihrem Kopf auf furchteinflößende Weise wider.
    So manches Grab hatte sie schon gesehen, deren kleine Räume oft kaum größer waren als der dort bestattete König, außerdem zwei große Kuppelgräber, das von Ashrun und das von Anla, Gräber, die vor langer Zeit ausgeraubt worden waren, das Ashrun-Grab war eine bloße Hülle, dem Himmel schutzlos preisgegeben. Sie war bei der Öffnung eines Steingrabes dabeigewesen und hatte ihre Onkel bei der Arbeit beobachtet, doch nie zuvor war sie allein gewesen, die erste, die die Stille und die Dunkelheit unterbrach.
    Der Steinfall von der Kuppel hatte das Grablager verfehlt, und das schräge Licht zeigte etwas, bei dem es sich um den König selbst handeln mußte — vermoderte Lumpen und Knochen. Vor der gebogenen Mauer befanden sich andere zusammengesunkene Massen, die einmal sein Hofstaat gewesen sein mußten — schillernde Damen und mutige Lords der Menschen: in ihrer Fantasie sah sie sie, wie sie an dem Tag ausgesehen haben mußten, da sie ihrem König an diesem Ort in den Tod folgten, angetan mit ihrer besten Kleidung, jung und wunderschön, und die Kuppel hallte von ihren Stimmen wider. An anderer Stelle mußten die schimmelnden Knochen der Pferde liegen, große, stolze Tiere, die voller Angst vor einem solchen Ort getänzelt und gewiehert hatten, waren sie doch weniger verrückt als ihre in den Tod gehenden Herren — Tiere, die noch über Ebenen galoppiert waren, über denen nun das Meer schwappte; sie sah das Schimmern goldenen Zaumzeugs im Staub.
    Sie kannte die Geschichten. Die Sagen und die Lieder in der alten Sprache waren Leben und Lebensunterhalt der Barrower, ihre goldene Substanz der Quell des Brotes, das sie aß, der Stoff für ihre glücklicheren Träume.
    Sie kannte die Namen von Königen, die ihre Vorfahren gewesen waren, die stolzen Mija, sie kannte ihre Gewohnheiten, obwohl sie die Runen nicht zu lesen vermochte; sie kannte sogar ihre Gesichter von den Vasenbildern und liebte die Schönheit der Goldkunst, die sie geschätzt hatten. Es tat ihr leid, wenn diese kostbaren Dinge zusammengehämmert und eingeschmolzen werden mußten; wenn sie so etwas als Kind
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