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Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Titel: Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
Autoren: C.J. Cherryh
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Angst hatte. Die angenehmste Phantasievorstellung von allen und wohl auch die hoffnungsloseste war der Gedanke an die große Insel im Norden, an Shiuan, wohin das Gold wanderte, wo Halblings-Lords und ihre bevorzugten Dienstboten in Reichtum und Pracht lebten, während die Welt ertrank.
    Während sie das Gras mit der Sichel attackierte, dachte sie an Fwar und ließ die Kraft des Hasses in ihren Arm strömen und wünschte, daß sie denselben Mut auch gegen ihn hätte; aber das hatte sie nicht, wußte sie doch, daß es nichts anderes gab. Sie war zur Unzufriedenheit verdammt. Sie war anders als alle blonden Kinder Ewons, wie auch Ewon selbst. Ihre Tanten sagten, Ewons Blut sei irgendwie verdorben gewesen; in Jhirun trat es nun am stärksten zutage und machte sie seltsam und wild. Ewon hatte Träumen nachgehangen; sie tat dasselbe. Ihr Großvater Kein, Priester von Barrow-Feste, hatte ihr
sicha-
Holz und
azael-
Samen für ihre Amulette gegeben, die sie um den Hals trug neben dem Steinkreuz des Barrow-Königs als angeblich wirksames Mittel gegen Hexerei; doch das unterband die Träume nicht. Spuren von Halblingsblut, sagte Tante Jinel immer wieder, gegen das Amulette keine Macht hätten, waren sie doch nur für Menschen gedacht. Es wurde erzählt, Ewons Mutter habe eines Halbjahrestages auf der Straße einen Halbling-Lord oder Schlimmeres getroffen, zu einer Zeit, da die Straße noch offen und die Welt größer war. Elas Familie jedoch kam aus dem Priesterstand, und Großvater Kein hatte Jhirun einmal mit den geflüsterten Worten getröstet, ihr Vater habe als Jüngling auch wilde Träume gehabt, und ihr versichert, daß dieser Fluch mit dem Alter verblasse.
    Sie wünschte sich, daß dies so wäre. Manchen Träumen hing sie im Wachen nach: so dem von Shiuan, in dem sie in einem großen Saal inmitten von Halblingen saß, akzeptiert von ihren Halblingsverwandten, ein Traum, in dem Fwar ein elendes Ende gefunden hatte. Das waren die Wunschträume, fern und ganz anders als die schweißdurchtränkten Träume über das verdammte Chadrih und über Socha, ertrunkene Gesichter unter dem Wasser — Hnoth-Träume, die in Erscheinung traten, wenn die Monde zusammenrückten und Himmel und Meer und Erde zu zucken begannen. Die Gezeiten schienen sich in ihrem Blut zu bewegen wie in den Elementen und machten sie mürrisch und aufbrausend, wenn der Hnoth heranrückte. In den Nächten, wenn der Hnoth am stärksten war, fürchtete sie nachts sogar bei all den Monden am Himmel zu schlafen, dann legte sie sich
azael-
Äste unter das Kissen und blieb wach, solange es ging.
    Ihre Cousins scheuten wie alle im Hause zurück, wenn sie von solchen Dingen sprach, und behaupteten, es wären nicht nur schlechte Träume, sondern böse Wünsche für alle, mit denen sie zu tun hatten. Einzig Fwar begehrte sie, aber er respektierte ja nichts, und am wenigsten Dinge, die seine eigene Vision nicht zu erfassen vermochte. Es gefiel ihm, zu verspotten, was andere fürchteten. Andere hatten unmittelbarere und weniger dauerhafte Dinge vorgeschlagen, doch im allgemeinen ließ man sie in Ruhe. Sie brachte Unglück.
    Und das war ein weiterer Umstand, der sie an Barrow-Feste band, die Angst, daß die Sumpfbewohner, die die Überlebenden aus Chadrih aufgenommen hatten, sie zurückweisen und als Geächtete ihr damit die letzte Zuflucht rauben könnten, was ihren Tod im Sumpf bedeutet hätte. Eines Tages mochte ihre Entschlossenheit ausreichen, den Versuch zu wagen, aber dieser Tag war noch nicht gekommen.
    Sie war frei und allein, und bis auf die Jahre mit Socha und Cil war es die beste Zeit ihres Lebens, da sie nach Belieben über die Inseln streifen konnte. Was immer die gesprächigen Tanten über sie klatschen mochten, sie war kein Abkomme eines Halbling-Lords, auch nicht der kleinen Menschen aus Aren, sie war auch nicht dazu geboren, von Gold zu essen oder damit zu handeln — doch barrowgeboren war es ihr Schicksal, danach zu graben. Das Meer mochte bis zu ihrem Tode noch ganz Hiuaj verschlingen und die Barrow-Hügel und alle darauf Lebenden vernichten, aber das war an einem so warmen Tag weit entfernt und wenig beunruhigend.
    Vielleicht, so überlegte sie mit einem innerlichen Auflachen, war sie lediglich ein bißchen verrückt, und das auch nur zeitweise, so verrückt, wie einen das Leben am Rande der Welt nun mal machen konnte. Vielleicht hatte sie ihre vernünftigen Perioden gerade dann, wenn sie ihre schrecklichen Träume erlebte, und war wahrhaft verrückt
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