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Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Titel: Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
Autoren: C.J. Cherryh
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das Ufer herauf, damit keine noch so kapriziöse Strömung es ihr entführen konnte. Dann machte sie sich an die Arbeit.
    Als sie die Sichel zu schwingen begann, hörte das Lied der Insekten eine Weile auf; es setzte wieder ein, als die Umgebung ihre Gegenwart akzeptierte. Sobald sie genug gemäht hatte, raffte sie das Gras mit einer Drehung der Sichel zu einem Büschel zusammen und hinterließ auf diese Weise säuberliche Reihen. In einem Muster, das an ein Rad mit vielen Speichen erinnerte, arbeitete sie sich immer höher am Hügel hinauf; der Mittelpunkt war der Stehende Stein.
    Von Zeit zu Zeit hielt sie inne und reckte sich voller Schmerzen von der Arbeit, obgleich sie jung und daran gewöhnt war. In solchen Augenblicken suchte sie den ganzen Horizont ab und achtete dabei mehr auf den Dunst, der sich im Osten zusammenzog, als auf die Erde. Als ihre Arbeit dem Ende zuging, vermochte sie von der Hügelkuppe bis nach Anlas Krone hinüberzuschauen und sogar den Ring der Steine an der Spitze auszumachen, verschwommen von Entfernung und Luftfeuchtigkeit, aber sie blickte nicht gerne nach Süden, wo die Welt zu Ende ging. Als sie nach Norden schaute, kniff sie die Augen zusammen in der Hoffnung, einen Berg des fernen Landes Shiuan zu sehen, wie es manchmal an sehr klaren Tagen möglich war. Doch sie sah nur eine graublaue Fläche und einen dunklen Fleck aus Bäumen vor dem Horizont am Aj, das war der Sumpf.
    Sie kam oft hierher. Sie arbeitete nun schon seit vier Jahren allein, seit ihre Schwester Cil geheiratet hatte — und sie genoß die Freiheit. Denn jetzt hatte sie ihre Schönheit, sie ging aufrecht und war schlank und wendig; sie wußte, daß die Jahre und ein Leben, wie Cil es führte, dies ändern würden. Sie führte die Götter in Versuchung, indem sie sich an den Rand von Anlas Berg wagte; kühn brachte sie ihren Wunsch nach Einsamkeit sogar vor das Auge des Himmels. Sie war die Jüngste gewesen — Cil die Zweitgeborene, während Socha die Älteste war: drei Schwestern. Cil war nun Gers Frau, trug stets ein Kind unter dem Herzen und begann jenen matten Ausdruck in den Augen zu zeigen, den Jhirun von ihren Tanten kannte. Ihre Mutter Ewon war nach Jhirun am Kindsbettfieber gestorben, und ihr Vater hatte sich im Wasser das Leben genommen, behaupteten die Männer — und aus diesem Grunde hatten die Tanten sie erzogen, eine zusätzliche Pflicht, die die ernsten Frauen mit weiterem Selbstmitleid erfüllte. Die drei Schwestern hatten sich sehr nahe gestanden, Verschwörerinnen gegen ihre Kusinen und gegen die weibliche Tyrannei der Tanten. Dabei war Socha als Anführerin hervorgetreten und hatte sich ständig Streiche und Abenteuer ausgedacht. Cil hatte sich jedoch mit der Heirat verändert und war mit zweiundzwanzig bereits alt. Nur Socha war in Jhiruns Erinnerung unverändert und schön wie eh und je. Socha war eines Tages bei jenem Hnoth davongeschwemmt worden, der die alte gewaltige Deichmauer brechen ließ, und Jhiruns letzte Erinnerung an sie war ein klares Bild: wie Socha an jenem Morgen aufbrach, aufrecht stehend in dem zerbrechlichen flachen Boot, umgeben von hellem Sonnenlicht. Jhirun war in der Nacht davor von üblen Träumen heimgesucht worden — Hnoth schickte ihr stets Alpträume —, und sie hatte Socha diese Träume mitgeteilt und im Dunkeln geweint. Aber Socha hatte sich lachend darüber hinweggesetzt, so wie sie über jeden Kummer lachte, und war am nächsten Morgen aufgebrochen, dicht vor dem Hnoth.
    Aber noch immer besser Socha als Cil, überlegte Jhirun, wenn sie sich Cils Leben vorstellte und daran dachte, wie wenige eigene freie Monate sie noch haben mochte. Außer ihren Cousins gab es in Barrow-Feste keinen Mann für sie; der Junge, der es auf sie abgesehen hatte, hieß Fwar und war der Bruder von Cils Mann Ger und vom gleichen Schlage. Fwar wurde langsam ungeduldig; um so nachdrücklicher legte es Jhirun darauf an, getrennt von ihren Cousins zu arbeiten und niemals an einem Ort, da Fwar sie allein antreffen konnte. In ihrer Bitterkeit stellte sie sich manchmal vor, daß sie in den tiefen Sumpf davonlief, und malte sich Fwars Zorn darüber aus, seiner Braut beraubt zu sein, Elas absonderlicher Tochter, der einzigen unverheirateten Frau in Barrow-Feste. Aber sie hatte auch die Frauen der Sumpfbewohner gesehen, wenn sie hinter ihren Männern zum Junai kamen, Frauen, die so grimmig und elend wirkten wie ihre Tanten, wie Cil; und unter ihnen befanden sich Chandrih-Bewohner, vor denen sie
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