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Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan

Titel: Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
Autoren: C.J. Cherryh
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der Welt keine Grenzen darstellte; doch als echte Barrowerin trug sie unter ihren Amuletten sogar eine weiße Möwenfeder und erachtete sie als Glücksbringer für ein Barrow-Mädchen, das von den Toten lebte. Die Figur war fein gestaltet und bestand aus Gold; sie erwärmte sich in ihren Händen wie seit Jahrhunderten nicht mehr. Jhirun berührte die winzigen Details der Flügel und steckte sich die Figur ins Wams, als sie die staubigen Juwelen neben dem König erblickte. Aber das waren nur Siegelsteine, wertlos, denn ihre Symbole konnten nicht abgeschliffen werden. Und im Urzustand galten sie bei den Sumpfbewohnern als Unglücksboten.
    Der Regen schlug ihr ins Gesicht, befleckte die staubigen Knochen und strömte über die Maske. Jhirun erschauderte in dem kalten Zug und erkannte an dem draußen gluckernden Wasser, daß sie schon gefährlich spät dran war. Der Donner krachte über dem Hügel.
    In plötzlicher Panik ergriff sie die Flucht, raffte zusammen, was sie hatte holen wollen, eilte zum Ausgang und zwängte sich durch den Tunnel, wobei sie den Schatz vor sich herschob, hinaus ins matte Licht und den strömenden Regen. Das Wasser im Kanal war bereits gestiegen und begann das Boot anzuheben und von seiner sicheren Position am Ufer zu zerren.
    Jhirun blickte auf das wirbelnde schlammige Wasser und wagte das Boot nicht noch mehr zu belasten. Voller Qual stellte sie die schwere Schale mit Fundstücken ab, die hoch am Ufer warten sollte. Dann löste sie furchtsam das Seil, stieg an Bord und ergriff die Stange. Das Wasser zerrte an dem Boot und drehte es herum; sie mußte ihre ganze Kraft und Geschicklichkeit aufbieten, um es dorthin zu bringen, wohin sie wollte, quer über die brausende Durchfahrt zu Jirans Hügel — und dort kämpfte sie das Boot an Land, schüttete regenfeuchte Schatzstücke in ihren Rock und mühte sich bergauf, um an dem wasserüberströmten Hang nur ja kein Stück zu verlieren. Sie schüttete den Rockvoll Gold am Fuße des Stehenden Steines aus und erstieg den Hang noch mehrmals, um ihren Fund dort aufzuhäufen, dicht bei dem deutlichen und sicheren Mal.
    Dann versuchte sie das Boot wieder in Richtung Barrow zu wenden, während der Regen Wasserwände über die pockennarbigen Kanäle zog, zerrissen vom Wind. Das Boot zog so stark an dem Seil, daß es ihr beinahe aus der Hand gerissen wurde; sie konnte nicht an Bord gehen — und mit einer verzweifelten Verwünschung zerrte sie an dem Seil und brachte das Boot immer höher an Land, die Beine schlammbeschmiert und zerkratzt, die Röcke eine feuchte Last. Sie erreichte eine flache Stelle und fiel rückwärts, während der Regen ihr ins Gesicht trommelte, während sie geblendet wurde von grellen Blitzen. Das Boot war gerettet; das war im Augenblick mehr wert als Gold.
    Von ihrem Elend angetrieben, raffte sie sich schließlich auf und begann Schutz vor der Kälte zu suchen. Im Boot lagen ein kurzes Paddel und eine Schutzhaut aus eingeöltem Leder. Sie kippte das kleine Boot um, stemmte den Bug mit der Schulter hoch und klemmte das Paddel darunter fest. Auf diese Weise schuf sie einen Unterschlupf, der allerdings nur wenig Schutz vor den Elementen bot. Sie kroch hinein und wickelte ihre bebenden Gliedmaßen in das Leder, wobei es ihr nun leid tat um die nicht beendete Mahlzeit und um die Krüge, die von der Flut bereits entführt worden waren.
    Der Regen trommelte mit großer Heftigkeit auf den nach oben gedrehten Boden des Bootes, und Jhirun biß leidend die klappernden Zähne zusammen, während das Wasser an der Flanke des Hügels immer höher kroch, den Zugang zum Grab überflutete und den Schatz bedeckte, den sie drüben hatte zurücklassen müssen.
    Urplötzlich mußte sie durch das graugrüne Licht des Unwetters blinzeln: der vordere Teil des Barrow rutschte vom Wasser unterspült in den Kanal, Knochen und Staub des Königs versanken in dem feuchten Grab des Wassers. Jhirun umklammerte ihre Amulette, richtete hektische Gebete an die sechs wohlmeinenden Mächte, sah zu, wie die Zerstörung größer wurde, und dachte an das strenge schlafende Gesicht der Maske. Geschichten wurden erzählt, daß beim Hnoth und am Abend des Halbjahrestages Gespenster auftauchten, daß die Könige der versunkenen Ebene die Seelen von ertrunkenen Barrowern und Dorfbewohnern an ihren gespenstischen Höfen bewirteten, und über dem Sumpf waren Lichter zu sehen — Lichter, die ihre Bewegungen deutlich machten. Jhirun sagte sich, daß sie heute etliche Gespenster
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