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Morenga

Morenga

Titel: Morenga
Autoren: Uwe Timm
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betreiben solle oder ihn dazu bewegen könne, sich dem Unterwerfungsabkommen der Bondelzwarts anzuschließen. Der deutsche Konsul riet zu letzterem, denn ein Auslieferungsantrag würde seiner Einschätzung nach von der englischen Regierung nicht befolgt, und beides zugleich ginge doch wohl schlecht, da Morenga nach einem gestellten Auslieferungsantrag zu recht mißtrauisch sein müßte, wenn man ihm dann statt des Galgens die Freiheit zusichern wolle. Aber Deimling wollte das Problem an der Wurzel lösen. Ein Antrag wurde gestellt, ein Fall konstruiert, der Morenga einen Mord vor dem Aufstand nachsagte, ohne daß aber ein Zeuge benannt werden konnte. Es trat ein, was der Berufsdiplomat vorausgesagt hatte. Die Regierung lehnte den deutschen Auslieferungsantrag ab, unter anderem auch, wie v. Humboldt schreibt, mit Rücksicht auf »die hiesigen Eingeborenen«. Jetzt sollte der Generalkonsul versuchen, mit dem Guerillaführer, der nach Ablehnung der Auslieferung frei war, zu verhandeln und ihn zur Rückkehr in das Schutzgebiet zu bewegen, unter Garantie des Schutzes seines Lebens und seiner Freiheit. Die Zusammenkunft des kaiserlichen Generalkonsuls v. Humboldt mit dem Hottentottenführer fand im Büro des britischen Kolonialsekretärs am 8. Juni 1907 statt. (Man muß versuchen, sich das vorzustellen: Morenga in einem Empiresessel dem Generalkonsul, Seiner Exzellenz v. Humboldt gegenübersitzend.) Morenga hat, wie man den Berichten des Konsuls entnehmen kann, sehr geschickt verhandelt. Er betonte seine friedliche Gesinnung, erklärte aber auch, daß ihm seine persönliche Sicherheit nicht genügend gewährleistet zu sein scheine. Er sagte, er wolle sich jetzt zunächst nach Upingtown begeben, um dort seine Familie und seine Anhänger aufzusuchen und die Angelegenheit mit ihnen zu besprechen. Hatte Morenga zu diesem Zeitpunkt, Seiner Exzellenz Herrn v. Humboldt gegenübersitzend, schon den Entschluß gefaßt, den Kampf wiederaufzunehmen?
    Im Juli muß Morenga Upingtown erreicht haben. Deutsche Agenten, meist Händler, beobachten ihn. Man sagt, er habe einen Deutschen ziemlich grob aus dem Haus geworfen. Man berichtet, er habe gesagt: I bring together my lambs. Dann heißt es, er habe Boten zu Johannes Christian entsandt mit der Aufforderung, sich wieder gegen die Deutschen zu erheben. Ein englischer Leutnant berichtet, zwei Boten von Simon Kopper seien bei Morenga aufgetaucht. In einem Telegramm an das Kommando der Schutztruppe heißt es: Morenga habe Upingtown mit acht bewaffneten Männern verlassen, und zwar in Richtung Kaimas, also auf die deutsche Grenze zu.

    Die Ereignisse beginnen sich jetzt zu überstürzen. Der Kommandeur der Südabteilung verlegt Truppen an die Ostgrenze. Verpflegungsdepots werden angelegt. Batterien in Marsch gesetzt. Reservisten eingezogen. Der Hauptmann v. Hagen wird nach Kapstadt geschickt, um die englische Polizei zum Eingreifen zu drängen, vor allem aber, um künftige Operationen zwischen englischen und deutschen Truppen zu koordinieren. Am 9. 8. heißt es, Morengas Anhängerschaft sei auf ca. 30 Mann. gewachsen. Mitte August sollen es schon 60 sein. Hottentotten-Bambusen, die bei den an der Grenze stationierten Truppen arbeiten, entlaufen über Nacht. Morenga soll bei Kammus sitzen, bei Zwartmodder, in der Gamsisschlucht, in Aries, in Knidas. Oft scheint er an mehreren Orten zugleich zu sein. Da er sich entgegen einer polizeilichen Auflage der deutschen Grenze genähert hat, wird, nach etlichen Protestnoten des Generalkonsuls in Kapstadt, ein Haftbefehl erlassen. Man befürchtet in der Kapkolonie politische Verstimmungen allerhöchsten Orts, da ein Treffen des deutschen Kaisers mit dem englischen König bevorsteht. Er soll abermals einen Boten an Johannes Christian geschickt haben: Lieber aufrecht sterben als auf allen vieren zwischen den Klippen herumkriechen. Johannes Christian will nicht mehr kämpfen. Auf englischer Seite wird berichtet, Morenga würde mit der deutschen Regierung Frieden schließen, wenn man ihm und seinen Leuten Land in der Kapkolonie und 100000 Mark gäbe. Andere Gerüchte wollen wissen, er würde es auch für sechs Mutterschafe tun und die Zusicherung, ihn am Leben zu lassen. Anfang September sind die deutschen Truppen an der Grenze aufmarschiert, und die englischen Truppen unter dem Kommando des Majors Elliot beginnen die Verfolgung.

Der Wunderbusch

    An einem Dienstag, dem 18. September 1907, brachte eine Barkasse den Stabsveterinär Gottschalk zu dem auf der
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