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Morenga

Morenga

Titel: Morenga
Autoren: Uwe Timm
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sich einer Halbbatterie anzuschließen, die nach Keetmannshoop verlegt wurde.
    Dort angekommen hörte er, daß Morenga seinen Internierungsort Prieska verlassen hatte. Gottschalk mußte lange auf einer Karte der Kapkolonie nach diesem Ort suchen. Er war mehr als dreihundert Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Einen Moment überlegte er, ob er sich Urlaub geben lassen und zu dem Ort reiten sollte, aber dann ging er zu dem Italiener, der sich am Ort niedergelassen und einen Friseursalon eröffnet hatte, in dem Caruso durch einen Grammophontrichter seine Arien sang. Gottschalk sah sich im Spiegel, nachdem ihm Signor Cevettri den Vollbart abgenommen und die Haare gestutzt hatte, wie mit anderen Augen. Danach ging er zu der – ebenfalls neueröffneten – Uniformschneiderei und bestellte sich eine neue Uniform. Er trug jetzt die Schulterstücke eines Stabsveterinärs. Oberveterinäre mußten ihn jetzt zuerst grüßen.
    Der Ort hatte sich in der Zwischenzeit abermals gewandelt. Man hatte nicht mehr den Eindruck, über einen Kasernenhof mit ein paar schwarzen Dienern zu gehen, sondern es war jetzt, mit den kleinen Läden, Gaststätten und Hotels, eher eine kleine Provinzstadt mit einer großen Garnison. Ein Kamelgestüt war im Aufbau, und der Stabsveterinär, der es leitete und Gottschalk führte, erklärte, nur so komme man an den Simon Kopper heran, der sich in die schwer zugängliche Kalahari zurückgezogen habe. Aber die Bedeutung der Reitkamele kenne der Herr Kamerad ja am besten, der so ausgezeichnete Vorarbeiten geleistet habe.
    Im Gestüt sah Gottschalk zum erstenmal ein Bischarin-Kamel, das man aufgrund seiner dringlichen Eingabe für die Aufzucht von Reitkamelen gekauft hatte. Eine weiße Kamelstute von sanft melancholischem Aussehen.
    Gottschalk bat darum, mit diesem Tier einen längeren Ritt machen zu dürfen. Er wolle, bevor er seinen Dienst quittiere, noch ein Gutachten über die Laufeigenschaften von Rennkamelen schreiben und zugleich nach den Überresten jenes sagenhaften Fasses suchen, das der Professor damals nicht habe finden können. Man warnte Gottschalk, noch immer gebe es in dieser Gegend versprengte Banden, gestattete ihm aber wegen seiner Verdienste um die Kamelaufzucht den Ritt. Um den spleenigen Veterinär wäre es nicht weiter schade, wenn ausgerechnet den eine Hottentottenkugel träfe, aber der Anschaffungspreis des Rennkamels war bedeutend gewesen.

    An jenem Abend, am Lagerfeuer der Aufständischen, im Duft der gebratenen deutschen Zugochsen und beim Dongdididong der Maultrommeln, hatte Gottschalk neben Rolfs gesessen, jenem Hottentotten, den er vor Monaten in Warmbad mit anderen Gefangenen in die veterinärmedizinische Wissenschaft eingeführt hatte. Von Rolfs hörte Gottschalk zum erstenmal wieder etwas von Katharina. Rolfs hatte gehört, Genaues wußte er auch nicht, daß Katharina in Lüderitz im Gefängnis sei, und zwar wegen Gefangenenbefreiung.
    Rolfs war mit Johannes Christian in Warmbad versehentlich freigelassen worden. (Es war spät abends, und Graf Kageneck hatte sein nötiges Quantum weg.) Rolfs war dann zu Cornelius gegangen und mit ihm herumgezogen, und als Cornelius sich ergab, war er zu Morenga gegangen, und als der sich verletzt und halb verhungert der englischen Polizei stellte, ging er zu Simon Kopper, und als Kopper ebenfalls Frieden schloß mit den Deutschen, da ging Rolfs selbst daran, mit ein paar Mann einen Aufstand anzuzetteln auf Leben und Tod. Fing dann auch tatsächlich einige Karren der Deutschen ab, brachte es dann aber doch nicht fertig, die Zivilisten einfach abzuknallen, sondern ließ die hochnäsigen Weißen nur auspeitschen mit dem Schambock, was die täglich mit seinen Brüdern und Schwestern taten, wurde schließlich gefaßt und starb, von einem ungeübten bayrischen Gefreiten gehenkt, in gräßlichen Verrenkungen am Galgen. Der fidele Rolfs, der sich in Warmbad von Gottschalk so viel abgeluchst hatte, daß er jeden lahmen Gaul wieder auf die Beine bringen konnte, erzählte in jener Nacht Gottschalk die Geschichten von dem Missionar Gorth, dem Schafsgesicht, dem Landvermesser Treptow und von Klügge, der ein riesiges Faß Branntwein ins Land schleppen ließ von zweiundzwanzig ausgewählten Ochsen. Ein Faß, das verbrannte, bevor Klügge vom Land verschluckt wurde. Und als Gottschalk das nicht recht glauben wollte, für Geschichten hielt, behauptete Rolfs, noch immer könne man Überreste des Fasses sehen. Und als Gottschalk lachte und sagte: Ein
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