Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordsviecher

Mordsviecher

Titel: Mordsviecher
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
aussichtslos, hinterher noch verwertbare Spuren zu sichern. Der Schlangenbeschwörer mochte zwar die Kriechtiere verdächtigen, dennoch mussten sie damit rechnen, dass der Mann auch aus anderen Gründen das Zeitliche gesegnet haben konnte.
    Allein dieser Ort! »Tod in der Tierhölle. Mord im Viecher- KZ « – sie sah schon die Schlagzeilen vor sich. Irmi seufzte. Natürlich wollte sie weder die Kollegen noch die Spurensicherung oder den Notarzt gefährden. Eine Schlangenattacke auf einen Polizisten oder den Arzt würde mit Sicherheit noch schönere Schlagzeilen einbringen. Und sie konnte sich schon vorstellen, wie Kollege Hase vom Kriminaltechnischen Dienst auf ihren Vorschlag reagieren würde, inmitten von derartigen Giftspritzen Spuren zu sichern. Aber es half alles nichts.
    Irmi sah Kathi an. Die hatte die Stirn gerunzelt.
    »Versteh ich Sie richtig? Wir müssen erst mal den Raum von den Tieren befreien, oder?«, fragte sie nach.
    »Ganz genau, und wir brauchen die Experten von der Reptilienauffangstation in München«, sagte Irmi und sah den Schlangenmann an.
    »Die werden eine Freude haben, Sie glauben ja gar nicht, was die alles erleben. Eines Tages hingen bei denen Kaiman-Babys in einer mit Wasser gefüllten Tüte an der Tür. Jedes Jahr landen ungefähr achthundert Tiere in der Auffangstation. Reptilien sind derzeit im Trend, spätestens seit der Dinomode. Und mit der Zunahme der Minihaushalte hätte man dann doch gerne ein Tier. Eins, das nicht bellt und jault. Oder eins, das keine Allergien auslöst.« Er holte Luft. »Außerdem kriegen die jede Menge ungeliebte Erbschaften rein. Da stirbt die Oma und hinterlässt die Schildkröte, die noch gute fünfzig Jahre Lebenserwartung hat. Und es gibt jede Menge Scheidungswaisen aus dem modernen Beziehungswirrwarr und Tiere aus einer eher unangenehmen Ecke, die mit der Kampfhundeszene vergleichbar ist, wo Menschen ihr Ego mit besonders gefährlichen Tiere aufwerten wollen.«
    Irmi hatte sich noch nie mit solchen Fragen beschäftigt, aber ihr wurde klar, dass sie sich da gerade in eine Nebenwelt hineinbegab, die undurchsichtig war und in der sie sich mehr als unwohl fühlte.
    Der Schlangenmann verzog den Mund und sagte: »In den Beständen solcher Tiersammler befinden sich häufig Riesenschlangen, Giftschlangen und Exoten, die unter Artenschutz stehen und keine Papiere haben. Zwei Drittel der beschlagnahmten Tiere sind behandlungsbedürftig. Sie brauchen ein Leben lang Medikamente, und da müssen erst einmal Adoptiveltern gefunden werden, die mit so etwas umgehen können.«
    »Und manchmal wird’s offenbar auch gefährlich«, meinte Irmi. »Sie haben den Toten nicht zufällig erkannt, oder?« Blöde Frage, das wusste sie selber.
    Der Schlangenmann lächelte. »Bedaure. Ein Mann von normaler Statur, um die fünfzig. Eher teuer gekleidet. Darüber trug er einen blauen Arbeitsmantel.«
    Der letzte Satz alarmierte Irmi. Hier inmitten des Drecks und Kots war der Mann so teuer gekleidet herumgelaufen?
    »Gut«, sagte Irmi, doch sobald sie das Wort ausgesprochen hatte, wusste sie, dass hier gar nichts gut war. Man redete einfach so daher, sagte »gut«, wenn man »schlecht« meinte. Sagte »versteh ich« zum Chef, der einen gerade entlassen hatte, wo man eigentlich »du dummes Arschloch« dachte. Sie riss sich zusammen. »Dann warten wir also auf diese Reptilien … äh … spezialisten aus München.« Eigentlich hatte sie »Reptilienfuzzis« sagen wollen. Sprache war eigentlich etwas Gemeines. Menschen konnten damit taktieren und manipulieren. Tiere hingegen waren ehrlich – und ausgeliefert.
    Sie wandte sich an Kathi. »Kannst du zusammen mit Andrea herausfinden, wem das hier gehört?« An einem Tag wie diesem konnte sie sogar auf Kooperation der beiden Damen im Zickenduell hoffen. Kathi nickte und ging davon.
    Selbst Doris Blume, die ja sonst immer von ansteckend guter Laune war, wirkte bedrückt, müde und frustriert. »Ich kann Ihnen leider auch nicht sagen, wem das hier gehört. Erstaunlicherweise wurden wir bisher noch nicht hierhergerufen. Das liegt vermutlich daran, dass das Anwesen so abgeschottet liegt. Aufmerksame Tierfreunde können sich nur dann melden, wenn sie etwas sehen. Und dann, Frau Mangold, Sie wissen das, sind uns auch erst mal die Hände gebunden.«
    Erst wenn Nachbarn aufmerksam wurden – durch Lärm oder Gestank –, ging eventuell eine Meldung ein. Häuften sich die Meldungen bei der Polizei, informierte diese das Veterinäramt, aber ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher