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Mordsviecher

Mordsviecher

Titel: Mordsviecher
Autoren: Nicola Förg
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wahrscheinlich noch viel schlimmer.«
    Aktion, selbst blinder Aktionismus war besser als Verharren. So lange der Mensch noch irgendetwas tun konnte, blieben Panikattacken weitgehend aus. Aber sie lauerten ganz knapp unter der Oberfläche, bereit, jederzeit auszubrechen.
    Bevor Irmi ihre eigenen nächsten Schritte überlegen konnte, kam Sailer. Zusammen mit dem Kollegen Sepp.
    »Mir ham da noch so a Gebäude aufbrochn«, sagte Sailer, und noch immer klang seine Stimme ganz anders als sonst. Auch ein Sailer war zu erschüttern, oder gerade jemand wie er, dessen Weltbild so fest gezimmert war.
    »Mir ham es sofort wieder zug’macht«, schickte Sepp hinterher.
    Noch mehr Elend? Noch mehr Hölle? Was hatten sie entdeckt, was Angstflackern in ihren Augen erzeugt hatte?
    »Was ist denn in dem Raum?«, fragte Irmi und wollte die Antwort am liebsten gar nicht hören.
    »Des glauben Sie ned«, kam es von Sailer.
    »Wo die armen Karnickel waren …« Sepp stockte kurz. »Do is noch a Nebengebäude. Verrammelt wie a Hochsicherheitstrakt. Also, i moan, des is a Hochsicherheitstrakt, weil da san Monster drin.«
    Es war Kathi, die allmählich wieder zu ihrer gewohnten Form fand. »Könnten zwoa g’standene Mannsbilder amoi de Zähn auseinanderbringa?« Kathi konnte ein sehr gepflegtes Hochtirolerisch sprechen, wenn es sein musste, und nach einigen weiteren Nachfragen war den Herren zu entlocken, dass sie einen weiteren Raum gefunden hatten. Dass die Damen vom Tierschutz sie gebeten hätten, den Raum aufzubrechen. Dass das eine Weile gedauert hätte und dass sie als Erstes fast auf ein Krokodil getreten wären. Oder einen Leguan oder »so a Urviech mit Monsterzähn«, wie Sailer sich ausgedrückt hatte.
    Jedenfalls waren ihnen noch offene Gitterboxen aufgefallen, und sie hatten die Tür wieder zugeworfen. Was völlig korrekt war, denn jeder Polizeischüler lernte, dass da Fachleute hermussten.
    »Was habts gmacht, Burschn?«, fragte Kathi.
    »Die Frau Tessy vom Tierschutz g’suacht, aber de is grad auf Garmisch abi«, meinte Sailer und sah Irmi hoffnungsfroh an.
    Die Frau Irmengard, die würde es schon richten. »Sailer! Sepp! Was machen wir in so einem Fall? Erst denken, dann lenken! Also?«
    »Den Schlangenbeschwörer anrufen?«, kam es von Sepp.
    »Genau, gut erkannt. Anrufen! Auf geht’s!« Manchmal half nur die Flucht in den Zynismus und in sehr knappe Befehle.
    In dem Moment kamen Tierschutzchefin und Amtstierärztin wieder vorgefahren. Die Scheinwerfer zerschnitten den Nebel, es war dunkel geworden. Zappenduster. Sie kurbelten die Scheiben runter, und Irmi setzte sie ins Bild, auch darüber, dass sie ihre Leute angewiesen hatte, den »Schlangenbeschwörer« zu rufen. So nannten sie den Inhaber des Reptilienhauses in Oberammergau, ein Experte für all diese dubiosen Kriechtiere. Er trat mit seinen Schlangen sogar in Filmen auf.
    »Das fehlt ja grad noch!«, rief Doris Blume. »Auch noch Reptilien! Die kriegst du ja nirgends unter! Die Reptilienauffangstation in München wird uns lieben, wenn wir denen ein paar Hundert kranke Schlangen und Krokos bringen.«
    »Ein paar hundert?«, fragte Kathi nach.
    »Ja, bei den Terrarianern ist die Sammelleidenschaft meistens noch schlimmer. Da kommen leicht mal zwei- bis dreihundert Viecher zusammen. Gut, dann warten wir mal.«
    Eigentlich hätten Irmi und Kathi jetzt von diesem unwirtlichen Ort verschwinden können, für sie gab es nichts zu tun, aber Irmi wollte auf jeden Fall noch nach Andrea sehen, und da Kathi nicht meuterte, gingen sie zusammen zu einem Stadl, unter dessen Dachüberstand sich sogar eine schiefe alte Biergartengarnitur befand, auf der man einigermaßen trocken sitzen konnte. Die Amtstierärztin hatte Kathi eine Decke mitgegeben, die sie sich um die Schultern hängte. Irmi fror komischerweise überhaupt nicht, obwohl ihre Fleecejacke nicht sonderlich warm war. Dann warteten sie.
    Der Schlangenbeschwörer hatte sich beeilt, schien es. Schon bald traf er ein und wünschte ihnen mit fröhlicher Stimme einen guten Abend.
    Irmi hatte ihn ein paar Mal erlebt. Er war ein Mann in den Vierzigern, mit einem leichten Allgäuer Dialekt und einem lakonischen Humor gesegnet, der Situationen entkrampfte. Seine Präsenz wirkte auf sie alle irgendwie beruhigend.
    »Es war also bisher niemand drin?«, wollte er wissen.
    »Nein, meine Kollegen haben die Tür sofort geschlossen. Ein Untier läuft offenbar auch frei da drin herum«, sagte Irmi.
    Der Reptilienspezialist begann sein Auto
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