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Mordsviecher

Mordsviecher

Titel: Mordsviecher
Autoren: Nicola Förg
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wäre es, die Kleidung von Kilian Stowasser zu präparieren im Wissen, dass die Schlange das riechen kann und entgegen ihren sonstigen Fütterungsritualen zustoßen wird? Das wäre doch clever, oder?«
    »Ja, das wäre clever.«
    »Man müsste viel über das Wesen der Schlange wissen. Weitaus mehr als das Wissen, über das die meisten Reptilienbesitzer verfügen«, warf Irmi ein.
    »Die meisten Tierhalter wissen gar nichts über die Bedürfnisse ihrer Tiere.«
    »Sie hingegen wissen viel, Frau Ruf. Sie haben uns gestern eine schöne Geschichte erzählt. Dabei haben Sie nur den klitzekleinen Umstand ausgespart, dass Sie die Kleidung von Stowasser präpariert haben.«
    »Unsinn. Wie kommen Sie denn auf so was?«
    »Das sag ich Ihnen.« Irmi warf die Briefe aufs Bett.
    Sonja Ruf zuckte zusammen. Ihre Atmung beschleunigte sich.
    »Ich habe den Stallmantel von Stowasser untersuchen lassen. Er wurde präpariert. Frau Ruf, es ist vorbei!«
    Diesmal weinte sie wirklich. Sie wurde geschüttelt von Weinkrämpfen. Die beiden Kommissarinnen warteten. Irmi war auch zum Heulen zumute.
    Schließlich gestand Sonja Ruf. Sie erzählte die ganze Geschichte. Dass sie es für Max getan hatte. Dass sie ihm doch hatte beweisen müssen, dass sie alles für ihn getan hätte. Dass er doch der Mann ihres Lebens war. Ihr Augenstern.
    »Ein Mann des Lebens, für den Sie morden? Was für ein Leben ist das?«
    »Ich habe es auch für Benedikt getan«, sagte sie leise.
    »Wer ist Benedikt?«
    »Kilian Stowassers jüngerer Bruder. Der Nachzügler. Er war mit mir in der Schule. Er war der beste Freund von Max. Er ist immer noch der beste Freund von Max, trotz des Altersunterschieds. Benedikt hatte schon vor Jahren gewusst, dass sein Bruder ein Betrüger war. Es kam zum Streit. Kilian hat ihn dabei mit dem Jagdgewehr angeschossen. Das hat er hinterher total niedergebügelt. Hat viel Geld bezahlt, damit sich Benedikt in Australien eine neue Existenz aufbaut. Er hat eine Reptilienstation bei Cairns. Seit dem angeblichen Jagdunfall kann er nur noch am Stock gehen. Er lebt von und mit Schmerzmitteln.«
    »Und Max ist bei ihm?«
    »Ja, und ich wollte hinterherfliegen. Sobald das hier vorbei ist. Ich wollte Max zeigen, dass ich alles bedacht habe. Für ihn, für unser gemeinsames Leben. Dafür, dass Max nicht mehr immer an Stowasser denken muss. Dass er nicht weiter seine Seele vergiftet. Ich musste ihm doch helfen.«
    Was hätte Irmi dazu noch sagen können? Ach, Sonja!
    Sie atmete schwer und konzentrierte sich wieder.
    »Frau Ruf, was wäre gewesen, wenn Stowasser den Mantel nicht angezogen hätte?«
    »Er hätte nie seinen Trachtenanzug verschmutzt. So viel Zeit hatte er, ich war für ihn doch keine Gegnerin.«
    Als Irmi und Kathi gingen, war es draußen noch dunkler. Sie liefen in eine Wand aus Regen. Irmi tätigte die erforderlichen Telefonate. Schaltete das LKA ein. Es würde einen internationalen Haftbefehl geben.
    »Was passiert jetzt?«, fragte Kathi. »Wird man Trenkle eine Mitschuld nachweisen können? Anstiftung zum Mord?«
    »Ich hoffe es. Ich bete darum. Vieles wird auch von Sonja Rufs Aussagen abhängen. Von ihren Anwälten. Wir können nur hoffen, dass sie gute haben wird.«
    Das Radio dudelte Achtzigerjahre-Musik. Der heutige Tag war dem Jahr 1983 gewidmet. Da war diese Zeile wieder. »You think you’re the devil, but with those angel eyes, you’re just a slave to love tonight.«
    »Schöner Song«, sagte Kathi.
    »Einfach nur ein Lied aus den Achtzigern«, meinte Irmi und sah geradeaus, damit Kathi ihre Tränen nicht sah.
    Die schlimmsten Verbrechen geschahen immer noch im Namen der Liebe.

Nachwort
    Diese Geschichte ist nicht schön, auch nicht sonderlich lustig. Sie handelt vom Machtmissbrauch gegen solche, die sich nicht wehren können. Gegen Tiere, aber auch gegen schwache Menschen. Ich werde bei meinen Lesungen bestimmte Passagen nicht laut vorlesen können, weil ich sonst wie jeder fühlende Mensch mit den Tränen zu kämpfen hätte.
    Warum ich dann so etwas schreibe? Weil so etwas passiert, immer wieder – und weil ein Roman einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, auf solchen Irrsinn aufmerksam zu machen. Beim Entstehungsprozess dieses Buchs habe ich mir mehrfach die Frage gestellt, ob man den Lesern so unschöne Szenen eigentlich zumuten kann. Ich habe mich für ein klares Ja entschieden und damit auch gegen den Trend, dass Krimis dieser Tage eher Slapstick sind. »Mordsviecher« ist ein Krimi, der genauso ist wie das Leben.
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