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Mordsviecher

Mordsviecher

Titel: Mordsviecher
Autoren: Nicola Förg
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zuckten auf Monitoren, vom Gang hörte man entferntes Klappern. Hier aber herrschte Grabesstille.
    Es vergingen mehrere Minuten, bis Sonja Ruf sagte: »Das hätten Sie sich sparen können, Frau Mangold. Sie waren es doch, die mir eine schlechte Zukunft vorhergesagt hat. Es wäre besser gewesen, wenn Sie mich hätten liegen lassen.«
    »Das sollen aber zwanzig Minuten sein, die sehr lang werden können, nicht wahr, Frau Ruf?«
    »Ja, aber das hätte ich in Kauf genommen.«
    »Kilian Stowasser konnte das nicht so genießen.«
    Ihr Gesicht verzerrte sich. »Er hat das verdient. Er hat seine Frau die Treppe hinuntergestoßen, er ist schuld an der Qual von so vielen Tieren. Er hat Sleipnir auf dem Gewissen. Er hat die Welt betrogen. Er hat es verdient. Mehr als das.«
    »Wissen Sie das denn sicher, dass er seine Frau die Treppe hinuntergestoßen hat? Haben Sie ihn gesehen?«
    »Nein. Aber so einer macht so was. Ich habe ihn gestellt. Ich habe ihn damit konfrontiert. Aber er hat mich nur ausgelacht. Er hat mich immer nur ausgelacht. Auch als die Zeitung die Geschichte von Sleipnir brachte, hat er gelacht. Wie rührend, hat er gesagt.«
    Sonja Ruf, das Mauerblümchen. Über so viele Jahre war sie ausgelacht worden. Gedemütigt. So etwas zermürbt. Stille Menschen, bleiche Fassaden, hinter denen Kriege toben.
    »Frau Ruf, Sie hatten einen Türöffner? Woher?«
    »Nun, Frau Mangold, irgendwann im Leben gibt es eine ausgleichende Gerechtigkeit. Wir haben vor wenigen Tagen am Kirnberg einen Schuppen ausgeräumt, der Stroh und allerlei Kutschen, Geschirr und Decken enthielt. Und siehe da, was fiel mir in die Hände? Eine Putzbox von Liliana, und da lag dieser Türöffner drin. Ich hab zuerst gar nicht begriffen, was das ist. Erst mal habe ich nachts probiert, ob sich damit in Eschenlohe etwas öffnen ließe, da gab es aber nichts, und dann wurde mir klar, dass das Ding die Tore in Krün öffnet.«
    Kathi starrte sie an. »Und weiter?«
    »Ich hab Stowasser beobachtet. Als er weggefahren ist, hab ich probiert. Die Tür ging auf, die zweite auch und wahnsinnig schnell wieder zu. Weil ich weiter unten in der Straße Stimmen gehört hab, bin ich abgehauen. Beim zweiten Mal war ich ganz in der Frühe da und hab mein Auto im Schuppen versteckt. Das war an dem Samstag, als der Lkw kam. Ich sah ihn rein- und rausfahren, wenig später verließ auch Stowasser das Gelände. Ich hab die Türen geöffnet, bin rein und war entsetzt. Die Pferde standen im Schlamm, ich habe ihnen Heu gegeben und Wasser.«
    »Halt, Frau Ruf!«, rief Kathi. »Sie sind seit Jahren Tierschützerin. Sie sehen so etwas, wo es selbst hart gesottenen Gemütern den Magen umdreht. Wo selbst Doris Blume sagt, das übersteige alles bisher Dagewesene. Und Sie haben nichts getan?«
    Tränen liefen ihr die Wangen hinab. Noch immer starrte sie zur Decke, wo eine kleine Spinne langsam in Richtung Raumecke zog. Ob sich das gehörte in einem Krankenhaus?, fragte sich Irmi.
    »Ich hab die Polizei angerufen, aber ihr kommt ja nicht.«
    Aha, sie war also die anonyme Anruferin gewesen!
    »Aber Sie hätten doch FUF informieren können, Max Trenkle, das wäre doch naheliegend gewesen!«
    »Ich wollte die Sache zu Ende bringen. Ich wollte Stowasser endlich zur Rechenschaft ziehen für all das. Ich hab mich umgesehen, dabei hab ich die Falltüre entdeckt und die Kellerräume. Ich hab das Daunenlager gesehen. Ich hab Fotos gemacht. Ich hab Proben gezogen, die befinden sich übrigens in einem Labor in Belgien. Die Ergebnisse müssen am Montag da sein. Ich bin nur bis zu den Reptilien gekommen. In die Räume dahinter konnte ich nicht gelangen. Ich habe das Hundegebell gehört, und Sie werden kaum nachvollziehen können, was für eine Pein das für mich war. Sie waren da drin, und ich konnte ihnen nicht helfen! Da wusste ich erst recht, dass Stowasser sterben musste.«
    »Sie hätten doch unter voller Namensnennung die Polizei rufen können, natürlich wären wir gekommen.« Kathi sprach immer noch ungewohnt leise, auch eine Kathi geriet an den Punkt der Fassungslosigkeit, der sprachlos oder zumindest sehr, sehr leise macht.
    »Sie hätten ihn verhaftet. Er hätte Ausreden und falsche Zeugen gefunden. Er wäre wieder rausgekommen mithilfe des bayerischen Filzes ganz oben in den Wirtschaftskreisen.« Das Sprechen schien ihr schwerzufallen. »Das war am Samstag, wie gesagt. Ich habe den Pferden das Wasser aufgefüllt, noch mehr Futter hingegeben, ich habe den Tieren versprochen, dass Hilfe
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