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Mordsviecher

Mordsviecher

Titel: Mordsviecher
Autoren: Nicola Förg
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Klinikum zu nehmen. Irmi hingegen bestand darauf, ihr Auto selber zu fahren und auch bis zu ihrem Wagen zu laufen. Trotz des Knöchelverbands.
    Um kurz nach sechs waren sie aufgebrochen, nun war es drei, und nichts war mehr wie zuvor. Und als Irmi all den Menschen hinterherblickte, die dieser Tag so jäh und merkwürdig zusammengeführt hatte, verspürte sie auf einmal Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, nicht allein zu sein, Dankbarkeit, dass mitten in den Wogen des Lebens immer wieder helfende Hände waren, die sich einem entgegenstreckten. Nein, nichts war mehr wie zuvor, und dieser Fall war einer, den sie alle nicht vergessen würden. Der sie zusammengeschweißt hatte. Egal, wie er nun ausgehen würde. Die misshandelten Tiere hatten sie alle aufgerüttelt und vielleicht zu besseren Menschen gemacht, die künftig ein bisschen genauer hinsehen würden.
    In Garmisch war die Hauptstraße sehr belebt, ein Pulk von Rennradlern mit weit weniger attraktiven Rückenansichten als Hundegger fuhren zwischen den Autos herum. Am Rathausplatz war die Ampel ausgefallen, und ein Kollege regelte den Verkehr, was Staus in alle vier Richtungen provozierte. Die Ampel war dem Menschen eben doch überlegen. Junge Mädchen mit H & M -Tüten kreuzten sich mit bundbehosten und karobeblusten Touristen. Es war ein ganz normaler Tag in Garmisch, und Irmi kam sich vor wie ein Fremdkörper.
    Als sie zu Hause in Schwaigen vorfuhr, kam der kleine Kater angeschossen und präsentierte stolz eine Eidechse. Der große Kater kam hinterhergeschlendert, mal wieder stolz auf seinen jungen Kumpel. Bernhard rumorte irgendwo herum und stieß dabei ein paar Flüche aus. Alles war wie immer.
    Irmi war etwas schwummrig, und eine angefangene Tüte Tortillachips war das Einzige, was sie momentan zu greifen bekam. Und ein lauwarmes Bier. Sie sank auf ihr Hausbankerl, und plötzlich zitterte sie. Himmel, sie wurde alt, sie war ja gar nicht mehr belastungsfähig!
    Sie wusste nicht, wann sie zum letzten Mal um sechs ins Bett gegangen und erst nach gut elf Stunden wieder aufgewacht war. Bernhard war schon in der Küche und sprang auf, als sie runtergetapst kam.
    »Mensch, Schwester, was machst denn? Geht’s dir gut?«
    Irmi sah ihren Bruder entgeistert an. Hatte sie was verpasst?
    »Der Gässler war am Stammtisch«, erklärte der.
    Aha, vom Stammtisch her wehte der Wind der Allwissenheit.
    »Unkraut vergeht nicht, Bruderherz. Ich erzähl dir alles, wenn’s vorbei ist, aber ich muss das noch zu Ende bringen.«
    Bernhard war aufgestanden, drückte ihre Schulter. Er war über die Jahre daran gewöhnt, dass Irmi immer erst dann redete, wenn sie konnte und durfte.
    »Mei, a Schlange. Dabei graust’s mir so vor den Viechern«, murmelte Bernhard und ging hinaus. Die Zeitung war dank der Austrägerin schon da. Tina Bruckmann hatte geschrieben, dass man auf dem Anwesen, wo der Unternehmer Kilian Stowasser gestorben war, nun auch noch eine Schlange eingefangen hatte. Eine Mamba namens Käthe. Dass diese tatsächlich auch Stowasser gehört habe und viel dafür spreche, dass ihr Gift den Unternehmer getötet habe.
    Daneben war ein Foto zu sehen. Tina Bruckmann hatte also doch noch ihr Bild bekommen. Aber war das Käthe? Die Viecher sahen doch alle gleich aus – zumindest in Irmis Augen.

15
    Irmi und Kathi fuhren am Samstagmorgen nach München. Kathi hatte einen Tapeverband am Knöchel, die Bänder waren gottlob nur überdehnt. Sie schwiegen beide, was hätten sie auch sagen sollen? Sie waren beide gespannt darauf, was Sonja Ruf zu sagen hatte. Erst einmal konsultierten sie den Arzt, der Sonja Ruf attestierte, dass sie vernehmungsfähig war.
    »Körperlich geht das verblüffenderweise sehr schnell mit der Genesung, die meisten Opfer von Schlangenbissen sind aber psychisch in Mitleidenschaft gezogen. Angstattacken, Panik oder Lethargie – Frau Ruf sollte in jedem Fall psychologisch betreut werden. Falls Sie noch Fragen haben sollten, lassen Sie mich anpiepsen.« Er ging, doch seinem angewiderten Gesichtsausdruck und seinem entschlossenen Gang war anzumerken, dass er die Polizei für das Letzte hielt. Vielleicht waren sie das ja auch?
    Der Kollege vor der Tür grüßte freundlich und wirkte eher desinteressiert. Sonja Ruf lag in einem Einzelzimmer und starrte an die Decke. War sie vorher schon blass gewesen, wirkte sie jetzt geradezu wächsern. Die beiden Kommissarinnen kamen näher. Irmi zog für Kathi einen Stuhl heran, sie selbst blieb am Bettende stehen.
    Nichts. Lichtlein
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