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Mordsviecher

Mordsviecher

Titel: Mordsviecher
Autoren: Nicola Förg
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Amtstierarzt konnte erst dann in eine Wohnung oder ein Anwesen eindringen, wenn die Staatsanwaltschaft das befürwortete. Das tat sie natürlich nur bei handfesten Beweisen, aber wie sollte man an solche gelangen, wenn sich der Tierhalter abschottete? Ein Teufelskreis und eine nicht endende Tierhölle, während die Zeit nutzlos ins Land ging, in der weitere Tiere elend verrecken mussten.
    »Was geht denn in solchen Menschen vor, um Himmels willen?«
    »Wir wissen, dass Tiersammler, Animal Hoarder genannt, psychisch krank sind. Eine Mehrheit von ihnen liebt ihre Tiere zu Tode. Es ist ein Krankheitsbild, bei dem Menschen Tiere in einer großen Anzahl halten, sie aber nicht mehr angemessen versorgen. Es fehlt an Futter, Wasser, Hygiene, Pflege. Die Halter erkennen nicht, dass es den Tieren in ihrer Obhut schlecht geht.«
    »Aber das muss man doch merken!«
    »Frau Mangold, es gibt auch andere Lebenssituationen, in denen man sich die Realität schönlügt und offensichtliche Tatsachen ausblendet. Diese Tiersammler machen das geschickt, die leben gut in ihrer kompletten Wahrnehmungsverzerrung.«
    Sie hatte natürlich recht, es fiel Irmi nur so schwer, diese Quälerei als Krankheit zu sehen.
    »Aber ich kann das doch nicht entschuldigen und sagen, das seien eigentlich gute Menschen mit einem hehren Ziel. Nach dem Motto: Eigentlich wollte ich ja Tiere retten, nur leider ist mir das irgendwie entglitten! Verdammt!«
    Die Amtstierärztin lächelte müde. »Es gibt eine Studie aus den USA , die vier Typen unterscheidet. Der erste ist der übertriebene Pflegertyp, der sich tatsächlich in die Fürsorge verrennt und dem das Problem irgendwann über den Kopf wächst. Der Rettertyp hingegen glaubt, nur er könne Tiere richtig pflegen. Er rettet alles, aber irgendwann reichen Platz und Geld nicht mehr aus. Der Züchtertyp gibt vor, zu züchten. Er verliert aber den Überblick, es fehlen ihm auch der Geschäftssinn und die Logistik. Am Ende vermehren sich Tiere unkontrolliert, ohne verkauft zu werden. Und schließlich gibt es noch den Ausbeuter. Der schafft Tiere aus eigennützigen Zwecken an. Er hat keinerlei Mitgefühl, ist ein narzisstisch gestörter Mensch, der es zudem schafft, nach außen lange die Maske zu wahren. Er ist nämlich sehr manipulativ.«
    Das klang alles nicht gut. Das klang nach vielen Mauern. »Und hier?«, fragte Irmi.
    »Ach, wissen Sie, es gibt auch Mischformen. Hier handelt es sich wohl um jemanden, der sich sehr gut verstecken konnte. Ein Retter mit narzisstischer Störung? Keine Ahnung.«
    In dem Moment kam Kathi wieder. »Was wir auf die Schnelle herausfinden konnten, ist Folgendes: Das Grundstück gehört einer Isabella Rosenthal. Gemeldet in Karlsruhe. Andrea ist ins Büro gefahren und will mehr herausfinden. Ihr Vater war übrigens gerade da mit dem Viechwagen und hat zwei Pferde mitgenommen. Er hat gesagt, dass er den, der das getan hat, persönlich an den Eiern aufknüpft.«
    Von Doris Blume kam ein müdes Lächeln. »Bei so was denkt man öfter an Selbstjustiz. Am liebsten will man doch solchen Menschen das Gleiche antun. Tun wir aber nicht, wir schöpfen unsere legalen Möglichkeiten aus. Kämpfen gegen Windmühlen. Sie genau wie ich.« Sie zuckte die Achseln und ging zu einem Kleinbus hinüber, der eben gekommen war.
    Die Experten von der Reptilienauffangstation in München begannen mit der Ärztin und dem lokalen Schlangenmann Kisten zu entladen. Irmi und Kathi konnten momentan nichts tun außer warten. Scheinwerfer leuchteten inzwischen das ganze Gelände aus, die erbarmungswürdigen Pferde waren alle weg, nur die fünf Erhebungen unter den Planen waren noch da – wie Mahnmale.
    Es war merkwürdig still geworden, kein Gebell mehr, auch die Hunde waren einer besseren Zukunft entgegengereist. Wie es wohl Mama und Schoko ging? Sie sei eine Kämpferin, hatte Doris Blume gesagt. Doch genau das war das Perfide: Mit Tieren konnte man so quälerisch umgehen, weil sie nie haderten oder etwas infrage stellten. Weil sie nicht über ihr Schicksal nachdachten. Sie konnten nur versuchen zu überleben. Sie kannten es gar nicht anders. Nur in Filmen rotteten sich Tiere zusammen, nur dort befreiten clevere Katzen eine ganze Hundemeute.
    Hier hatten sie alle bis auf die Hunde geschwiegen, und jetzt waren nur noch die leisen Jäger übrig – und einer von denen hatte einen Mann erlegt, wenn man dem Schlangenmann Glauben schenken wollte. Eigentlich war Irmi ganz froh, dass sie momentan nichts tun durfte. Ihr
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