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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition)
Autoren: Gaby Hoffmann
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sehen. Ich erkannte dort die Silhouette einer alten Frau, die Brot für die Enten ins Wasser warf.
    Anthony presste schwerfällig die Lippen auseinander: „Ich rufe dich an!“
    Es war das Letzte, was ich jemals von ihm hörte!

Kapitel 2
     
    „Wir hängen tierisch!“, kreischte Conny, eine der Grafikerinnen, mir entgegen.
    Bevor ich sie leibhaftig sah, entdeckte ich die Spiegelbilder meiner Kollegen an den Glaswänden, die das Großraumbüro einrahmten. Die Psychologie hinter dieser architektonischen Lösung war logisch: Kein Hindernis schottete den freien Blick kreativer Menschen ab, wenn sie ihre Gedanken in die Weite schweifen ließen. Jetzt lümmelten sich diese Künstler alle zwischen Rechnern, Telefonen und Papierbergen auf den Chromtischen und warfen mir vorwurfsvolle Blicke zu, weil ich so spät kam.
    Erstaunt über die ungewöhnliche Aufmerksamkeit an meiner Person, blickte ich fragend in die kreative Runde. „Müssen wir nicht heute das Titelbild produzieren?“
    „Ach, wirklich?“, äffte mich Achim, ein anderer Grafiker, träge nach. „Nö, lass dir ruhig Zeit! Die Seite muss erst morgen in der Druckerei sein!“
    Mir schwante Böses. „Ist Karina etwa noch krank?“
    Die Leidensmienen um mich herum bedurften keiner Antwort. Karina war meine Vorgesetzte. Da unser Art-Direktor mit gebrochenem Bein im Krankenhaus lag, zeichnete sie momentan für die Produktion der Titelseite allein verantwortlich. In mir schrillte eine Alarmglocke, meine Körpertemperatur stieg an. Jetzt kam mein Part. Ein Trend musste her, aber subito!
    Manchmal geht der Ehrgeiz mit mir durch. Hätte ich in die bewährte Kiste voller Titelgirl-Fotos gegriffen, wäre mein weiteres Leben anders verlaufen. Ich wollte mich aber mit etwas sensationell Neuem beweisen. Nachdem ich vergeblich meine beschränkten Hirnwindungen nach einer bahnbrechenden Idee durchgeknetet hatte, rief ich meine beste Freundin Lila an. Das Unheil nahm seinen Lauf.
    „Geschirrhandtücher!“, riet sie.
    „Ich will keine Küche einrichten, sondern die Titelseite eines Lifestylemagazins produzieren.“
    „Na klar“, entgegnete sie ungeduldig. „Geschirrhandtücher lässig unter den Achselhöhlen verknotet – das kommt an! Megamäßig, sage ich dir.“
    Ich stellte mir vor, wie Lila in diesem Moment Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand in der Luft zu einem Kreis spreizte. Ihr Zeichen für eine nicht zu toppende Sache. Zu meiner Entschuldigung muss ich gestehen, dass ich damals ein bisschen skeptisch war. Aber Lilas Enthusiasmus überzeugte. Normalerweise besitzt meine Freundin eine exzellente Spürnase für Modetrends. Diesmal litt ihr Riechorgan jedoch an Verstopfung.
    Eifrig buchte ich einen Fotografen und ein Model für das Titelshooting.
    Wendy, das Model, schaute mich irritiert an, als ich sie mit einem Haufen karierter Geschirrhandtücher empfing. „Soll ich mir die etwa um den Bauch binden und hier spülen?“, nuschelte sie durch ihre kesse Zahnlücke.
    „Nein, unter die Achselhöhlen!“, befahl ich freundlich, eine Dosis natürliche Autorität in der Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
    Wendy hob artig ihre rasierten Achselhöhlen, und eine maulende Stylistin nestelte so lange mit einem der Handtücher an ihrem Waschbrettbody herum, bis die Kreation perfekt saß.
    „Come on, work harder!“, feuerte der knipsende Fotograf Wendy an, die sich professionell im geknoteten Geschirrhandtuch mit fliegenden Blondhaaren drehte, wendete, hüpfte, auf den Boden warf, die Beine überkreuzte, in die Luft sprang.
    Ich entschied mich für eine Aufnahme, auf der Wendy kniete und einen tiefen Einblick ins Geschirrhandtuch-Dekolleté gewährte. Gar nicht schlecht! , dachte ich stolz.
    Dieses Hochgefühl verflog, als ich meine erste Coverproduktion in den Händen hielt. Ein winziges Schild war mir durch die Lappen gegangen. ‚100 Prozent Baumwolle. Waschbar bei 60 Grad‘ prangte unschuldig an Wendys Busen. Während ihrer wilden Verrenkungen musste das Etikett, das die Stylistin mühsam nach innen geklemmt hatte, wieder an die Oberfläche gerutscht sein. Dank der Vergrößerung war es nun deutlich sichtbar.
    Meine Reue kam zu spät, der Titel war bereits gedruckt! Ich dachte an einen Last-Minute-Flug, der mich weit weg bringen würde – egal, wohin. Aber das Echo meiner Heldentat war schneller als jeder Überschalljet: Wichtige Inserenten stornierten ihre Anzeigen für die nächste Ausgabe. Ein Magazin mit einem so geschmacklosen Titel war kein
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