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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition)
Autoren: Gaby Hoffmann
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verließ mit der Sekretärin den Raum.
    „Möchten Sie ’n Bonsche?“ Sie fuchtelte mit einer Tüte Himbeerbonbons vor meiner Nase herum.
    Aus Höflichkeit griff ich zu. „Was hat diese Frau Körner für einen Beruf?“
    Die Riechling reckte sich bis zu meinem Ohr hoch, sodass ich ihren süßlichen Himbeeratem wahrnahm, und flüsterte schmatzend: „Nutte!“ Gepflegter schob sie hinterher: „Sie wissen schon, Prostituierte!“
     
    Tiefe Furchen auf der Stirn verliehen dem graubärtigen dürren Chefredakteur Edfried Wagner den Anschein eines großen Denkers, der ständig mit Weltproblemen befasst war. Die eingefallenen, in Höhlen liegenden graublauen Augen verstärkten das Image des ausgemergelten Asketen. Ich stellte ihn mir beim Meditieren in einem buddhistischen Kloster vor. Seine Knochen steckten in einem zerknautschten Leinenanzug. So wie ihm seine Kleidung um den Körper schlackerte und oben der farblose Kopf herausguckte, erinnerte er mich an einen Totengräber. Kein Wunder, dass ich beim Vorstellungsgespräch glaubte, in einer Spukspelunke zu sein. Ein eingefleischter Vegetarier mit Essstörungen? Heimlich spähte ich, ob ich auf seinem Schreibtisch einen ausgewaschenen Joghurtbecher voller Salatblätter entdeckte.
    Während Wagner mich einwies, stürmte sein Kontrastprogramm – ein ausgemachter Fettwanst – schnaufend ins Büro. „Drei Verletzte und ein umgekippter Schweinetransporter auf der A1. Machen Sie die Eins frei, Chef!“, brüllte er, und sein schwammiges rotes Gesicht unter der blonden Vollponyfrisur wurde durch ein strahlendes Grinsen verzerrt. „Aye! Jetzt haben wir einen Super-Aufmacher!“ Die auf halb acht sitzende schmuddelige Jeans rutschte ihm in die Kniekehlen, wozu seine unzähligen Schlüssel am Hosenbund ahnungsvoll klimperten. Als Aura umgab diesen keuchenden Polizeireporter außer einem saftigen Schweißaroma die ständig piepsende und knackende Geräuschkulisse vom Polizeifunk. „Peeeddder Eins biddde kommen! Hier is ’ne Frau umgekippt. Peeeddder Eins biddde!“, schnarrte es aus dem kleinen Apparat.
    Der Chef ließ sich von seiner Begeisterung anstecken. „Gut, Jelzick!“ Er ballte die knochige Faust und stampfte dabei auf den knarrenden Dielenboden. Ich lag mit meiner Einschätzung des durchgeistigten Propheten völlig falsch!
    Die karge Möblierung der Büros hatte wohl auf Edfried Wagner abgefärbt oder ihm den Appetit verschlagen: Die kleinen, verwinkelten Räume waren bis auf zwei oder drei verwitterte Holzschreibtische nackt. Davor standen altersschwache graue Drehstühle, die mindestens schon drei Generationen von Journalisten durchgesessen hatten. Weder Bilder an den weißen Wänden noch Grünpflanzen auf den Fensterbänken. Nur abgerissene Zettel mit Memos, vollgekritzelte Timer, Kalenderblätter und vergilbte Zeitungsausschnitte klebten überall. Computer, Drucker und Telefone auf den Tischen wirkten wie futuristische Eindringlinge aus einer anderen Welt. Den Blick nach draußen versperrten graue, rauchgeschwängerte Mullgardinen, die sich trotz geschlossener Fenster leicht vor den offensichtlich undichten Butzenscheiben blähten.
    Aha, ständige Frischluftzufuhr als kreativer Kick , dachte ich, als ich meinen neuen Arbeitsplatz in Beschlag nahm. Trotzdem roch es stark nach 1900.
    Mir gegenüber erhob sich eine Hünin, vielleicht vierzig Jahre alt. Sie wiegte sich beim Gehen aufreizend in den Hüften, als wolle sie mir von vornherein demonstrieren, welche Frau in diesem Laden die Nummer 1 war. Geschmack war nicht ihre Stärke: Der grüne Hosenanzug erzeugte eine fabelhafte Disharmonie zu ihren blond gesträhnten Haaren und den grell blau geschminkten Augenlidern hinter einer goldenen Brille. Herausfordernd sog sie zunächst mit gespitzten Lippen und nach oben gerecktem Kinn an ihrer Zigarette, ehe sie mir herablassend die Hand schüttelte. Die vielen Ringe an ihren Fingern piekten. „Ich bin Gundula Zöllner. Wenn du mal nicht weiter weißt, frage mich! Nur keine falsche Scheu!“
    Sie lachte für mein Empfinden etwas zu schrill. Bei dem Gedanken an ihre feuchten Qualmwolken, gepaart mit süßlichem Parfümgeruch, wird mir jetzt noch übel.
    Als angenehme Überraschung entpuppte sich der zierliche Mann, der mit mir das Interview geführt hatte. Hinter den dicken Brillengläsern blitzten intelligente braune Augen, an deren Rändern sympathische Lachfältchen saßen. „Ich heiße Herbert Dabelstein. Sagen Sie ‚Herbie‘, das tun alle!“
     
    Der
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