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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen
Autoren: Sine Beerwald
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keine Markierungsboje, um seine Netze und Reusen zu finden. Er stoppte den Motor und ließ das Boot auslaufen, bis es genau an der richtigen Stelle stand. Der Fang war heute mager, gerade eine halbe Kiste Brassen und Zander.
    Die Reusen eine Seemeile weiter westwärts waren voll wie immer. Nicht von Speisefischen. Sondern von Wollhandkrabben. Als er zugreifen wollte, um die Reuse an Bord zu ziehen, fiel sein Blick auf ein Gewusel von Krabben in der Nähe des Ufers. Eine Reuse hatte er an dieser Stelle nicht gelegt. Dort stand zu viel Reet, das sich mit den Netzen verhaken konnte. Irgendetwas lag dicht unter der Wasseroberfläche, darauf krabbelten die Tiere herum. Er konnte hören, wie unzählige Wollhandkrabben aufgeregt mit den Scheren schnippten, die er trotz dicker Gummihandschuhe oft genug schmerzhaft hatte spüren müssen. Wollhandkrabben fraßen alles.
    Höger ruderte sich mit dem Hilfspaddel näher an das Fressgelage. Die Tiere schienen außer sich zu sein, das Wasser schäumte. Ein Gewimmel wie von den Larven im vergessenen Camembert unter der Hollywoodschaukel im Garten im vorigen Sommer.
    Wahrscheinlich war ein krankes Schaf in den Kanal gefallen und ertrunken. Vor über hundert Jahren soll ein Schweinswal es mal durch die Brunsbütteler Schleusen in den Kanal geschafft haben. Der war dann hier irgendwo verreckt.
    Er schlug mit dem Hilfspaddel auf die Krabben, aber die Tiere waren wie besessen. Sie »enterten« das Paddel und krabbelten auf Höger zu. Er schrie auf und warf das Paddel ins Wasser. In diesem Moment hob sich zwischen dem Gekrabbel etwas über die Wasserlinie. Es roch säuerlich. Ein paar Sekunden dauerte es, bis sein Verstand begriff, was er sah.
    Unter den schnappenden Zangen der Tiere sah er das Gesicht einer Wasserleiche.
    »Herr Höger, geben Sie uns doch mal einen Tipp, wie man die Viecher am besten da runterbekommt«, sagte Kommissar Malbek. Sie standen neben einem Bootssteg, auf der Nordseite des Kanals, dort, wo die Schirnau in den Kanal mündete. Im Westen stelzte die Kanalhochbrücke über die Rader Kanalinsel.
    Die Leiche lag im Reetsaum und schaukelte mit den Wollhandkrabben sanft auf den Wellen, die von den Schiffen an das Ufer geschickt wurden. Der Nebel hatte sich so weit gelichtet, dass man bis zur Kanalmitte sehen konnte.
    »Die fressen uns noch die Spuren weg«, sagte Kommissar Vehrs und trat ungeduldig von einem Bein aufs andere.
    »Anfassen und weit wegwerfen. Das ist alles«, bemerkte Höger.
    »Und wo fasst man die an?«, fragte Vehrs und sah angeekelt auf die Leiche.
    »Also mit einfachen Handschuhen geht das nicht, da beißen die mit ihren Scheren durch. So Dicke brauchen Sie, wie ich sie hab, hier. Aber gucken Sie nicht so gierig, meine gebe ich nicht weg, die brauch ich heute noch.« Höger lächelte spitzbübisch.
    »Gibt es einen speziellen Griff, damit die mit den Scheren nicht …?«, fragte Kommissar Harder.
    »Ja natürlich, hier …« Höger bückte sich in sein Boot, das am Ufer lag, und holte eine Wollhandkrabbe aus einer Kunststoffkiste. »… von der Seite, den Körper zwischen Daumen und Finger festhalten, die Zangen kriegen Sie nicht nach hinten, das muss man wissen …« Höger hielt inne und sah den Fotografen ärgerlich an, der eine Nahaufnahme von den Wollhandkrabben auf der Leiche machte.
    »Muss der so viele Fotos haben?«, fragte Höger und sah hilfesuchend zu Malbek. Er bedeutete Vehrs und Harder, mit dem Entfernen der Krabben zu beginnen. Die holten sich jemand von der herumstehenden Schutzpolizei und der Spurensicherung und gaben den Crashkurs Högers im »Wollhandkrabbenfangen« weiter. Jemand wurde ins Dorf geschickt, um dicke Handschuhe zu besorgen.
    »Keine Angst, Herr Höger«, sagte Malbek. »Das ist der Polizeifotograf.«
    »Ich mein ja bloß. So ‘n Foto in der Zeitung kann mir das Geschäft ruinieren.«
    »Diese Fotos kommen nicht in die Zeitung, sondern in unsere Ermittlungsakten. Das ist einer von uns, verstehen Sie? Von unserer Spurensicherung. Nicht von der Zeitung. Sie können also ganz beruhigt sein. Verkaufen sich die Viecher tatsächlich so gut?«, fragte Malbek.
    Höger holte tief Luft. »Früher war ich ja mit den Reusen nur auf Aal gegangen, aber dann hatten die Wollhandkrabben vom Kanal Besitz ergriffen, da hab ich meine Reusen technisch aufgerüstet mit schnittfestem Kunststoffnetz, um sie gegen die Scheren resistent zu machen. Dann Kontakte zu Restaurants und den Kieler Chinesen aufgenommen, jetzt liefere ich pro Tag
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