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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen
Autoren: Sine Beerwald
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Silver de Luft schüttelt den Kopf. »Ahoi, Harry, ihr seid rührend, aber wenn ihr die Bande neu gründen wollt, dann nicht mit mir als Scheff. Ich habe eingesehen, dass es besser ist, wenn ich mich zur Ruhe setze. Ich war euch doch am Ende nur noch eine Last.« Er nimmt seine Thunfischdose ab und hält sie Harry hin. »Ich bin nun euer Scheff Adee und biete dir, Harry, hiermit offiziell meinen Posten als Nachfolger an.«
    Harry hebt den Flügel und stoppt damit Baron Silver de Luft in seiner Bewegung. »Das ehrt mich, Scheff, denn viele Jahre lang war genau dieser Posten mein Ziel, aber in den vergangenen Tagen habe ich kapiert, dass zum Scheffsein mehr dazugehört, nämlich auch, eine Truppe in Krisenzeiten moralisch zusammenzuhalten. Und ich bin da doch mehr der Mann fürs Grobe …«
    Baron Silver de Luft bietet ihm noch einmal die Thunfischdose an. »Hab nicht solche Bedenken, man wächst mit seinen Aufgaben. Ich bin am Ende gescheitert, aber du wirst es schaffen. Ich hätte mich nicht so an meinem Posten festkrallen dürfen, als hinge mein Leben daran. Aber es war mein Leben. Hier, Harry.«
    »Nein«, sagt Harry entschieden. »Ich wäre nicht der Richtige. Unser neuer Scheff muss jemand sein, der umsichtig, diplomatisch und klug ist.«
    Alle Augen richten sich auf Balthasar. Aber der hebt nur abwehrend den Flügel und deutet auf mich.
    Baron Silver de Luft geht auf mich zu. »Ahoi?«
    »Ich?« Irritiert schaue ich in die Runde und bin einen Moment lang der festen Überzeugung, es müsse sich noch eine Möwe hier befinden, die so heißt wie ich.
    »Wer ist dafür?«, fragt unser Ex-Scheff, noch ehe ich eine Antwort geben kann.
    Alle heben den Flügel, auch Baron Silver de Luft.
    »Das wäre also einstimmig. Nimmst du die Wahl an, Ahoi?«
    »Ich … ja, also …« Meine Kumpels nicken mir aufmunternd zu. Schlussendlich macht mir das Lächeln von Suzette Mut, die Herausforderung anzunehmen. Wenn ich nicht mehr nur der einfache Späher bin, kann sie mich ja vielleicht auch als Versorger ihrer Kinder ernst nehmen. Wieder eine vage Hoffnung. »Ja, ich nehme die Wahl an. Ihr könnt aber weiterhin Du zu mir sagen.«
    Baron Silver de Luft hat glänzende Augen, als er mir feierlich die Thunfischdose auf den Kopf setzt. »Alles erdenklich Gute für dich, Scheff Ahoi, und viel Erfolg mit dieser Gurkentruppe. Meinen Lebensabend werde ich auf einer der Bänke auf der Hörnumer Promenade verbringen. Die Menschen werden sich bald daran gewöhnen, dass da eine Möwe zwischen ihren Beinen herumspaziert, die nicht mehr so richtig sieht. Wenn ihr mir hin und wieder als Scheff Adee mein Altenteil zuwerft, bin ich zufrieden. Und wenn du doch mal meinen Rat brauchst, ein Gefieder zum Nassheulen oder eine Schnabelkante zum Draufbeißen, ich bin immer für dich da, solange es mich noch gibt.«
    »Danke.« Ich weiß noch gar nicht, wie mir geschieht. Und ich weiß nicht, was ich jetzt noch sagen oder tun soll.
    »Das Protokoll«, raunt mir Baron Silver de Luft zu. »Die Posten müssen neu verteilt werden. Jemand muss das Sitzungsprotokoll schreiben. Nimm Balthasar oder Suzette, sie ist eine tolle Sekretärin.«
    Das Protokoll … Ich kann mich noch sehr gut an meine Gehirnerschütterung erinnern und rupfe mir eine Feder raus. Mein Entschluss steht fest. Den Satz habe ich schnell getippt und lasse die Feder reihum weitergeben. »Es wird ab sofort keine Protokolle mehr geben. Das ist nur Federverschwendung.« Von allen Seiten bekomme ich erleichterten Applaus, sogar Baron Silver de Luft nickt überrascht, aber anerkennend.
    Allein Balthasar grummelt: »Deine Entscheidung, Scheff Ahoi. Es ist ja aber nicht so, dass ich nicht auch mit einem Stift umgehen und schreiben könnte.« Er zieht selbigen unter seinem Flügel hervor, und als ihm auffällt, dass Papier fehlt, macht er seine Notizen direkt auf das Blechdach. Es sieht allerdings irgendwie mehr aus wie Kreise, Dreiecke und Symbole, was er da malt. »Habe ich alles aus einem Buch aus der Bibliothek. Die haben auch auf Steine und manchmal sogar auf Höhlenwände geschrieben. Schreiben kann man überall.«
    »Balthasar, die Schrift sieht nicht so aus, wie ich das von den Menschen heute kenne …«
    »Papperlapapp, jeder Mensch hat seine eigene Handschrift, und Hauptsache, ich kann meine eigene Schrift lesen. So, kommen wir nun also zu den ordentlichen Neuwahlen«, sagt er, unbeeindruckt davon, dass ich eigentlich zur Gegenrede ansetzen wollte. »Die Posten des Spähers und des
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