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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen
Autoren: Sine Beerwald
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zweihundert bis vierhundert. Langsam hatte sich das dann über die chinesische Gemeinde Kiel bundesweit herumgesprochen, bei Wollhandkrabben-Höger aus Kiel-Holtenau, ausgezeichnete Qualität. Der große Rest, den schick ich in die ganze BRD . Das wird bei uns in der Garage in Styropor verpackt und mit Express versendet.«
    Malbek hatte Höger unterschätzt. Das war wie fürs Fernsehen.
    »Wann waren Sie das letzte Mal hier, um nach Ihren Reusen zu sehen?«
    Höger zog die Stirn in Falten. Sein Blick folgte einem mächtigen Schiffsbug, den die Nebelbänke über der Wasseroberfläche freigaben. Der Nebelvorhang darüber riss auf und gab den Blick auf das Containergebirge frei, das majestätisch vorbeiglitt. Als die Kommandobrücke auftauchte, sagte Höger bedächtig: »Nee, da war noch nichts da, da bin ich mir sicher.«
    »Ja, aber wann, wann genau war das denn?« Malbek forschte im wettergegerbten Gesicht des Fischers, als ob er die Gedanken erraten könnte. Malbek war sicher, dass Höger eine Schau abzog. Die Sache machte ihm Spaß. Also sagte er die Wahrheit. Vielleicht. Auf jeden Fall spielte er ein Spiel.
    »Ja, nee. Nee, ja. So wie immer eben …« Höger zuckte mit den Schultern und sah Malbek bemüht an. »Gestern. So wie heute.«
    »Also Sie meinen, zur gleichen Uhrzeit?«
    »Jaa.« Er sah wieder zum Kanal. Noch immer Container. Der nächste Frachter.
    »Und wann war das genau?«
    »Ich hab nicht auf die Uhr geguckt.«
    Malbek atmete tief durch.
    »Nu hab ich Ihnen aber einen Schreck eingejagt, nicht?« Höger löste seinen Blick von dem Riesenschiff und hatte wieder sein spitzbübisches Lächeln aufgesetzt. »Ein Toter und keine Uhrzeit. Das muss doch schrecklich sein für einen Kommissar, nich?«
    »Ja. Entsetzlich.« Malbek hätte ihm am liebsten eine gescheuert.
    »Gucken Sie mal.« Höger zeigte mit dem Finger schräg nach oben. »Da guckt die Sonne um diese Jahreszeit manchmal durch den Nebel durch. Zwischen den Bäumen dahinten. Dann ist es halb zehn. Warum soll ich meine Öljacke ausziehen und den Pulli hochrollen, um auf die Uhr zu sehen?«
    »Es war also ungefähr halb zehn, gestern, als Sie das letzte Mal hier waren und nach Ihren Reusen gesehen haben. Ist Ihnen da etwas aufgefallen?«
    »Nö …«
    »Könnte es sein, dass Sie die Leiche übersehen haben?«
    »Was?«
    Malbek sah ihn ernst an. Bitterernst.
    »Aber … so was übersieht man doch nicht, Herr Kommissar …«
    »Doch. Wenn sie etwas weiter im Reet lag und die Viecher sich da schon einmal satt gefressen haben, und dann in der Reuse waren, bei dem Fang, den Sie gestern um halb zehn ungefähr ausgeräumt haben.«
    »Das ist doch Tünkram, Herr Kommissar.«
    »Woher wollen Sie das denn wissen, wenn Sie hier nichts Auffälliges gesehen haben?«
    »Ja, nee. Nee, ja. Ich hab doch nichts …«
    »Ich nehme an, Ihre Kunden warten schon ungeduldig auf Sie. Ihre Personalien haben wir ja. Ich wünsche Ihnen noch Petri Heil, oder wie sagt man das unter Fischern?«
    Höger sagte gar nichts mehr und war innerhalb von Sekunden in seinem Boot und im Nebel verschwunden.
    Malbek sah zu einem Containerfrachter, der langsamer fuhr als die Schiffe vor ihm. An der Heckreling stand ein Mann und winkte der Gruppe vermeintlicher Ausflügler am Bootssteg zu, bis er vom Nebel verschluckt wurde.

2.
    Die Leitstelle stellte Kommissar Harder in der Bezirkskriminalinspektion Kiel den Anruf einer jungen Frau durch, die von einem Leichenfund auf Welle Nord gehört hatte und fragte, ob der schon identifiziert worden sei. Sie würde nämlich ihren Freund seit vorgestern Abend vermissen.
    Harder ließ sich ihre Telefonnummer und Adresse geben und ging zu Malbek, der sein Zimmer auf der anderen Seite des Flures hatte.
    »Dörte Schneider. Erzieherin, zurzeit arbeitslos«, sagte Harder und legte ihm die Notiz auf den Schreibtisch. »Sie sagte, ihr Freund sei Auszubildender bei der Reederei Molsen, mit Sitz in Holtenau. Er wollte vorgestern Abend in der Holtenauer Schleuse von Bord gehen, um eine Woche Urlaub zu machen. Sein Schiff ist die ›Christian Molsen‹.«
    »Wann ist Frau Schneider hier?«, fragte Malbek.
    »Sie traut sich nicht aus der Wohnung. Sie klang ziemlich verwirrt.«
    »Aber sie weiß doch noch gar nicht, ob es ihr Freund ist.«
    »Sie sagt, sie fühlt es.«
    »Haben die da eine gemeinsame Wohnung?«
    »Ja.«
    »Na, denn schauen wir mal, wie sich das anfühlt, was sie fühlt.«
    Dörte Schneider wohnte in Kiel-Neumühlen, Langer Rehm 30, im zweiten
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