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Mords-Bescherung

Mords-Bescherung

Titel: Mords-Bescherung
Autoren: Erich Weidinger
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wie der Sepp, früher, und
später der Michael.
    Und die Hermine hat genickt.
    »Ich mein, weil er gar so brav ist im Moment. Und wenn er nicht mehr
will, dann kann ich ja noch immer …«
    In diesem Moment blinzelt die Hermine zu den zwei Kerben in der
Wand, da ist sich die Resi ganz sicher.

Herbert Dutzler
    Wolfgangseer Advent
    Mit geübten Griffen riss sie die abgefrorenen,
unansehnlich braunen Pflanzenteile ab und warf sie in den mitgebrachten
Plastiksack. Zwischendurch musste sie sich immer wieder stöhnend aufrichten,
denn die gebückte Stellung tat ihrem Kreuz nicht gut. Die verbleibenden Teile
des Allerheiligengestecks, die noch Farbe zeigten, rückte sie sorgsam zurecht.
Rosa und gelb. Josef hatte Rosa gehasst, das hatte er nun davon. Ihr Blick fiel
auf die Schrift auf dem Stein über dem schmalen Grab.
    »Josef Hametner« stand da, in tief eingegrabenen Lettern, in denen
schon gelbe Flechten zu wuchern begannen. Zwanzig Jahre war es jetzt her, dass
sie ihren Mann ins Grab gebracht hatte, und verdient hatte er es. Dennoch kam
sie unermüdlich jede Woche zu seinem Grab, um nach den Blumen zu sehen. Und ihn
an sich zu erinnern. Wenn er auch in der Hölle schmorte, er sollte dennoch
niemals vergessen dürfen, wer ihn dorthin gebracht hatte.
    Fluchend zog er sie von den Fingern. Es war ihm nicht gelungen,
mit den warmen Handschuhen die Schlösser an den Läden und an der Tür seines
Standes aufzuschließen, es half nichts, er musste sich mit ungeschützten Fingern
an die Arbeit machen. Und das bei minus zwölf Grad. Was war ihm bloß
eingefallen, als er sich um einen Stand beim Wolfgangseer Advent beworben
hatte? Gewiss, es gab Einnahmen, aber wenn er ehrlich zu sich selbst war: Die
Touristen, vor allem aus den Ostländern, die kamen, um zu schauen. Ständig
blickte er in ihre Kameraobjektive und wurde angeblitzt. Wenn er für jedes Foto
wenigstens einen Euro bekäme, dachte er sich. Er zog die Handschuhe wieder über
und besah sich seine Ware.
    Sie machte sich auf den Weg in die Pfarrkirche. Gott sei Dank
waren noch kaum Stände des Adventmarkts geöffnet, kaum Menschen auf den
Straßen. Einige Standinhaber hatten bereits die Läden hochgeklappt und waren im
Schein der widerlich kitschigen Lichterketten mit dem Ordnen ihrer Waren
beschäftigt. Ein eisiger Wind zog durch die Gassen, auch in der Kirche, schien
es ihr, war es nicht viel wärmer. Jahrelang hatte sie ihn angefleht, mit in die
Kirche zu kommen, und jahrelang hatte er sie ausgelacht. Dann hatte sie
aufgehört, mit ihm darüber zu reden, und stattdessen auf den Herrn gehört. Sie
kniete sich in die zweite Reihe, stützte ihre Ellenbogen auf die Kirchenbank
vor ihr und sah dem Herrn ins Angesicht, der sich gerade der Versuchung durch
den gehörnten Teufel widersetzte. Hunderte, ja Tausende kamen jedes Jahr, und
vor allem im Advent, um den berühmten Pacher-Altar zu sehen, aber kaum jemand
verstand, was er ihnen sagen wollte. Immer und immer wieder hatte sie selbst
dieses Bild betrachtet, bis der Herr schließlich zu ihr gesprochen hatte. Man
musste ihm nur ins Gesicht sehen, um alles zu verstehen. Niemals war der Herr
in Gefahr gewesen, der Verführungskunst des Teufels nachzugeben, da mochte der
noch so sehr seine Zähne fletschen. Und der Herr hatte ihr gesagt, dass sie
selbst im Recht, ihr Josef aber im Unrecht war. Dass sie selbst ein
gottesfürchtiges Leben führte, während der Josef rauchte, trank, seine Tiere,
gelegentlich sogar seine Frau und seine Kinder schlug und dazu noch fast jeden
Abend im Wirtshaus verbrachte. Wer konnte wissen, was er dort trieb. Wieder und
wieder hatte sie den Herrn gefragt, ob er den Josef denn nicht läutern könnte,
ob es nicht helfen würde, ihn zur Beichte in die Kirche zu bringen, ob der Herr
nicht etwas tun könnte, dass er sich ebenso an die Gebote des Herrn hielt wie
sie. Der Herr aber hatte immer wieder den Kopf geschüttelt, und sie hatte
geglaubt, er lasse sie im Stich. Bis er ihr endlich einen Fingerzeig gegeben
hatte.
    Weiß der Teufel, dachte er sich, wer die
Weihnachtsmann-Nussknacker wieder durcheinandergebracht hatte. Sorgsam stellte
er die kleinen nach vorn, die jeweils größeren eine Reihe zurück. Heimisches
Handwerk wollte man, das hatte man ihm klar gesagt, als er um die Konzession
angesucht hatte. Und heimisches Handwerk hatte er ihnen gezeigt. Das hieß aber
nicht, dass man an die Touristen nicht chinesische Nussknacker verkaufen
konnte, denn wer knackte heute noch Nüsse? Die Figuren wurden
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