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Mords-Bescherung

Mords-Bescherung

Titel: Mords-Bescherung
Autoren: Erich Weidinger
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doch nur fürs
Regal gekauft. Seht mal, ich war in St. Wolfgang. Schaut euch an, was ich
von dort mitgebracht habe! Wenn einer heute Nüsse brauchte, dann kaufte er sie
abgepackt im Supermarkt. Walnüsse knacken, das konnten die chinesischen
Weihnachtsmänner nicht. Da wurde schon eher der Chinese von der Nuss geknackt.
    »Erinnere dich«, hatte der Herr zu ihr gesagt, »was dir deine
Großmutter über Kräuter und Heilpflanzen beigebracht hat. Erinnere dich daran,
wofür und wogegen man sie verwendet.« Und sie hatte genau gewusst: Das Wissen
über die Pflanzen kam von ihm, vom Herrn. Er hatte es der Großmutter gegeben,
und die Großmutter hatte es – mit Billigung des Herrn – ihr weitergegeben.
Jahrelang hatte sie sich mit den Pflanzen nicht mehr beschäftigt, viel zu
mühsam war ihr das Leben gewesen, doch damals, vor mehr als zwanzig Jahren,
hatte ihr der Herr geholfen, sich wieder daran zu erinnern, dass es Pflanzen
gab, die ihren Ehemann direkt in die Hölle schicken würden. Seltsam, hatte sie
sich damals gedacht, nicht nur der Herr hatte zu ihr gesprochen, auch der
Teufel hatte geflüstert: »Schick ihn zu mir! Bring ihn mir!«, und so hatte sie
dem Herrn und dem Teufel gleichzeitig einen Gefallen getan und ihren Mann in
die Hölle fahren lassen. Da musste der Herr gar nicht erst zu ihr sprechen, auf
dem Altarbild konnte es jeder sehen, dass der Teufel selbst ja auf die auf dem
steinigen Boden wachsenden Pflanzen wies, von denen eine, sie hatte es deutlich
erkannt, ein Maiglöckchen war. Gewiss behauptete man, der Teufel weise nur
deswegen auf den Boden, weil er den Herrn dazu auffordere, Steine in Brot zu
verwandeln – sie aber wusste es besser. Es war die Art, auf die der Herr zu ihr
sprach. Er hatte den Teufel dazu gebracht, auf die Maiglöckchen zu zeigen, und
er hatte sie an ihr Wissen um diese Pflanze erinnert. Und dann hatte sie ihrem
Josef eine Bärlauchsuppe gekocht, in der er die paar Maiglöckchenblätter gar
nicht spürte. Schließlich hatte sie dafür gesorgt, dass Bier und Schnapsflasche
schon auf dem Tisch standen, da kümmerte ihn der Geschmack des Essens wenig.
Ein bisschen mühsam, erinnerte sie sich, war es schon gewesen, den Mann zum
Stier in die Box zu schleppen, doch am nächsten Tag hatte angesichts des
grausam zugerichteten Leichnams niemand daran gezweifelt, dass der Bauer den
Fehler begangen hatte, zum Stier in die Box zu steigen, aus welchem Grund auch
immer, und das mit dem Leben bezahlt hatte. Wer hätte auch, und warum, in
seinem Blut nach dem Gift der Maiglöckchenblätter suchen sollen? Dafür, dessen
war sie sich gewiss, hatte ebenfalls der Herr gesorgt.
    Seine Hände reibend, blickte er nach links und rechts die Gasse
entlang, ob sich etwa schon Kunden näherten. Noch bevor der Markt richtig
losgegangen war, fror er, seine Zehen waren eiskalt, seine Finger nicht einmal
in den dicken Skihandschuhen wirklich aufzuwärmen. Gegenüber, ja gegenüber! Da
wurden Punsch und Glühwein ausgeschenkt, da sammelten sich die Menschen zu
Trauben, blieben bis in den späten Abend, verstellten potenziellen Kunden die
Sicht auf seine Waren, da ging es fidel zu! Seufzend blickte er unter den Ladentisch.
Von seinen echten Südtiroler Krippenfiguren hatte er auch noch nicht viele
verkauft. Vor seinen Füßen am Boden stand ein sorgsam verschlossener Karton,
aus dem die Krippenfiguren nachgefüllt werden konnten, sollten sie zur Neige gehen.
Aber nur dann, wenn sich ganze Busladungen näherten, Japaner vor allem, auch
viele aus Deutschland, Spanien, Italien. Die Nachfüllware stammte ebenfalls aus
China – verrückt würde er sein, mit den Tiroler Figuren war doch kein Geschäft
zu machen, die kosteten das Zehnfache im Ankauf wie die chinesischen. Wer
merkte den Unterschied? Die Marktleitung vielleicht. Aber wenn gerade ein
ganzer Bus kam, hatten die gar keine Chance, zu entdecken, was da über den
Tisch wanderte.
    Den Rosenkranz betend, starrte sie dem Herrn ins Gesicht, immer
mehr verschwammen die Konturen des Altarbilds vor ihren angestrengten Augen,
und auch diesmal wieder sprach der Herr zu ihr.
    »Siehst du nicht«, sagte er zu ihr gewandt, »wie sich der Teufel des
ganzen Orts bemächtigt hat? Siehst du nicht, wie sie saufen, fressen, einander
betrügen, Neid, Geiz und Habgier von ihnen Besitz ergriffen haben? All das zu
meinem Geburtstag? Rund um mein Haus?« Natürlich sah sie es. Natürlich war auch
ihr all das zuwider, wer von denen, die zwischen den Ständen auf und
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