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Mords-Bescherung

Mords-Bescherung

Titel: Mords-Bescherung
Autoren: Erich Weidinger
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Beichte ab.
    Jetzt, am Freitag vor dem vierten Adventsonntag, ist es wieder so
weit. Heute will sie ihm ein ganz besonderes Geheimnis verraten. Immerhin hat
es ja auch ein bisschen mit ihm zu tun.
    Kann man den Mord am Ehemann dem Liebhaber beichten?
    Natürlich kann man. Vor allem dann, wenn der Geliebte der Pfarrer
ist.
    Der wird das schon verstehen, denkt sich die Resi und erzählt.
    »Es war nach etlichen Schnäpsen … in der heißen Badewanne ist er
eingeschlafen, der Sepp, und ich hab ihn einfach unters Wasser gedrückt.«
    »Oh, Resi«, hört sie den Pfarrer stöhnen. Nur dass das Stöhnen sich
ernst anhört, nicht so zärtlich wie noch kurz zuvor, als sie ihm für einen
Moment die Sterne vom Himmel geholt hat.
    »Was ist? Hast du vergessen, wie oft du auf ihn eingeredet hast,
dann, wenn er wieder zugeschlagen hat, dieser blöde Grobian. Du warst es doch,
der mir geraten hat, etwas zu unternehmen.«
    »Aber du solltest ihn doch nicht umbringen.«
    Sie hört, wie er seinen Platz verlässt. Gleich darauf geht die Tür
zum Beichtstuhl auf. Er sieht wütend aus. »Dir ist doch hoffentlich klar, dass
ich dir keine Absolution erteilen kann.«
    Und als sie ihn nur aus ihren grünen Augen anschaut, fügt er hinzu:
»Du musst zur Polizei gehen.«
    »Aber es ist doch bald Weihnachten.« Sie greift nach seiner Hand. Er
zieht sie weg. »Und die Knödel fürs Viech sind noch nicht gemacht.«
    »Sag einmal, bist du so dumm, oder stellst du dich so? Du kannst
jetzt nicht einfach in deinen Wagen steigen und zum Hof zurückfahren.« Er hält
sie plötzlich an den Handgelenken, ganz fest. So wie der Sepp es getan hat,
bevor er mit seiner Pranke ausholte und zuschlug. Das mag sie gar nicht, die
Resi.
    Und da fällt ihr die Axt im Kofferraum ein.
    Tierlieb ist sie, die Resi.
    Vergebung ist wichtig, gerade vor Weihnachten, denkt die
Resi, während sie die dünnen Blätter von den Stängeln des Weihbuschen rebelt.
Danach vermischt sie die Kräuter mit etwas Schrot, Kleie, etwas Salz und Wasser
dazu, formt aus dem Teig Knödel, schiebt noch drei geweihte Palmkatzln dazu.
Sie lächelt. Die Hermine freut sich jedes Jahr auf ihre Knödel wie ein kleines
Kind. Jedes Jahr zu Weihnachten, so, wie der Michael sich jedes Jahr nach der
Christmette auf seine Resi gefreut hat.
    Keine Absolution.
    Ist es möglich, sich die Beichte von einer Kuh abnehmen zu lassen?
    Selbstverständlich ist das möglich, ist sich die Resi sicher. Sind
sie doch auch Gottes Geschöpfe, und eine Bergbäuerin wie sie, die Resi, ist
abhängig von ihren Tieren. Jetzt nicht so sehr wie ein Drogensüchtiger von
seinem Heroin. Aber doch ein bisschen. Und vertrauen konnte man diesen
Viecherln auch mehr als einem Mann. Und die Hermine weiß doch Bescheid, hat ihr
zugesehen, als sie heute die zweite Kerbe ins Holz geschnitzt hat. Sie legt der
Hermine ein Kreuz ins Heu, setzt sich hin und beginnt zu erzählen.
    »Du kennst doch den Michael, Hermine.«
    Natürlich kennt die Hermine den Michael. Der war schon öfter bei ihr
im Stall, um die Tiere zu segnen und der Resi danach das Dirndl hochzuraffen.
    Unschuldig war sie, die Resi.
    Als die Resi die Weihnachtsknödel der Hermine gibt, steht
plötzlich der Rupert in der Stalltür. Er erzählt, dass der Weg zum Hof wieder
frei ist, weil’s doch die letzten Stunden wieder gar so arg geschneit hat.
    Und dass sie den Pfarrer gefunden haben. In der Kirche, und dass er
tot ist.
    »Mit einer Axt erschlagen, meint die Polizei«, erzählt der Rupert.
»Die haben sie aber nicht gefunden, die Axt.«
    Da hat ihn die Resi groß angeschaut, und dann sind ihr die Tränen über
die Wange gelaufen.
    »Warst noch nicht bei der Weihnachtsbeichte, Resi?«
    Der Rupert weiß, wie fromm die Resi ist, und die Resi schüttelt den
Kopf.
    »Es wird wieder ein Pfarrer kommen. Dann gehst sofort.«
    »Ja. Ein anderer Pfarrer.«
    Der Resi ist jetzt doch nach Kerzenschein und Strohsternen.
    Treu war sie, die Resi.
    Der Rupert ist rausgegangen, schaufelt den Schnee vor dem
Stall und dem Hof noch zur Seite. Den Christbaum wollt er auch noch gleich in
die Stube stellen. Den hat die Resi mit der Axt selbst geschlagen. Das Blut hat
sie abgewischt, gesäubert an Michaels Kutte. Sie will sie vorerst behalten, gut
versteckt, unterm Stroh, tief unter der Erde, unterm Stall.
    Sie streicht der Hermine über die breite Stirn und schiebt ihr noch
einen Knödel ins Maul. »Was meinst, soll ich jetzt dem Rupert eine Chance
geben?« Sie mag es, wenn ein Mann sich bemüht, so
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