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Mordloch

Mordloch

Titel: Mordloch
Autoren: M Bomm
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in der sich Bäume und Sträucher und der gegenüberliegende Hang als tiefschwarze Objekte hervorhoben.
    Der Mann wollte gerade zu einem erlösenden Spurt ansetzen, um endlich mit dem Mercedes diesen schrecklichen Ort verlassen zu können, da schwoll das Motorengeräusch bedrohlich an. Er blieb wie erstarrt stehen. Tatsächlich – auf der gegenüberliegenden Talseite wurde der Bewuchs entlang der Straßenböschung wieder in das zitternde Licht herannahender Scheinwerfer getaucht.
    Der Mann verfolgte das Flackern mit stockendem Atem, bis endlich auch das Fahrzeug Konturen annahm. Es fuhr langsam, erschreckend langsam und näherte sich dem einmündenden Forstweg. Der Mann ging zwei, drei Schritte zurück, um in die Schwärze des Hangeinschnitts einzutauchen, der zur Höhle führte.
    Er verfolgte aus sicherer Deckung, wie der Wagen abbremste. Die roten Schlusslichter wurden heller – und dann geschah tatsächlich das Entsetzliche: Blinklichter. Gelbe Blinklichter. Der Wagen bog links ab, hinein in den Forstweg. Es war ein Kastenwagen. Die Scheinwerfer zogen einen weiten Lichtstreifen durch die mit Gras bewachsene Talaue. Panik. Der Mann im Bachbett stolperte rückwärts, drohte zu stürzen, fing sich wieder und rannte zum Höhlenschlund, während die Scheinwerfer die Bäume der Hangkante streiften und jene Stelle, an der er gerade noch gestanden war, in helles Licht tauchte. Offenbar hielt der Wagen nicht weit von der Straße entfernt an.
    Der Fahrzeugmotor übertönte die klackernden Schritte des Mannes, der wie von Sinnen in die Höhle zurückrannte, in dieses schwarze Loch, in dem er fünf Meter hinterm Eingang erschöpft und zitternd, schwer atmend und schwitzend, an der eiskalten Felswand kauerte.
    Draußen schnurrte der Motor im Leerlauf, eine Autotür wurde geöffnet. Trotz der Entfernung konnte der Mann jedes einzelne Geräusch zuordnen. Jetzt war offenbar die Wagentür offen geblieben, denn Musik aus dem Radio drang herüber. Ein volkstümlicher Schlager.
    Verdammt, was hatte den Fahrer da vorne bewogen, um diese Zeit hier einzubiegen? Pinkeln? Ein Liebesabenteuer?
    Augenblicke später ein kurzes blechernes Scheppern. Wie eine Schiebetür, die abrupt aufgerissen wurde. Typisch für einen älteren VW-Bus.
    Die Sekunden krochen dahin. Der Mann in der Höhle hielt den Atem an, biss die Zähne fest zusammen. Er kämpfte gegen den Schüttelfrost.
    Wenn er jetzt ertappt würde, war es aus. Sollte er sich im Notfall wehren? Es auf einen Kampf ankommen lassen? Aussichtslos in seinem Zustand. Außerdem konnte in dem Kastenwagen noch eine zweite Person sitzen.
    Er würde keine Chance haben. Aus, vorbei. Lebenslänglich Knast.
    In diesem Moment näherte sich ein weiteres Fahrzeug. Das Motorengeräusch, daran bestand gar kein Zweifel, schwoll an.
     

4
    Eigentlich war sie hundemüde. Es war vier Uhr früh, doch sie konnte nicht schlafen. Seit Stunden lag sie wach. Ihre Gedanken kreisten aber nicht um ihren Ehemann, der noch immer nicht heimgekommen war, sondern um einen anderen Menschen, der ihr sehr viel mehr bedeutete. Als sie ihm vor zwei Monaten eine E-Mail geschrieben hatte, nur so, weil er ihr beiläufig seine Adresse gegeben hatte, da war eine rege Kommunikation in Gang gekommen, wie sie verliebte Teenager nicht besser hätten führen können. Sie liebte es, wie leidenschaftlich er seine Gefühle zum Ausdruck bringen konnte, wie romantisch er seine Wünsche formulierte und wie er es geschickt verstand, zwischen den Zeilen eine erotische Atmosphäre aufzubauen. Wenn sie allein war, las sie all die Mails, die sie in ihrem Computer gespeichert hatte. Auch am späten Abend hatte sie, wie von einem inneren Drang getrieben den, PC hochgefahren, um noch einmal zu genießen, was ihr der geliebte Mann im Laufe des Tages geschrieben hatte. Sie sehnte sich nach ihm und es fiel ihr schwer, überhaupt noch einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Was brachte sie dazu, ihm um 4 Uhr morgens zu schreiben, was er ihr bedeutete? Schließlich würde er es ohnehin erst im Laufe des Vormittags lesen. Doch Liebe und Sehnsucht, das hatte sie in den vergangenen Wochen in einem Wechselbad der Gefühle erlebt, waren stärker als jegliche Vernunft, stärker als all die geschäftliche Seriosität, mit der sie sich normalerweise umgab. Sie fühlte sich, obwohl schon knapp 40, wie ein verliebter Teenager. Der Mann hatte in ihr längst verschüttet geglaubte Gefühle wieder freigesetzt. Sie wunderte sich, dass ihr Ehemann noch nichts von ihrem
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