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Mordloch

Mordloch

Titel: Mordloch
Autoren: M Bomm
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die Luft feucht und der Boden nass. Es roch modrig. Er spürte diesen weichen Untergrund, der glitschig und schmierig unter seinen Tritten nachgab. In diesem engen Tal, dessen steil aufragende Hänge bewaldet waren, konnten auch Sommernächte ziemlich unwirtlich sein. Wenn tagsüber die mit dichten Wolken bedeckte Albkante keinen Sonnenstrahl durchließ, machte sich nachts in der engen Talaue unangenehme Kälte breit. Hier hielt sich hartnäckig eine hohe Luftfeuchtigkeit, verursacht von Quellen und einem schmalen Flüsschen.
    Der Mann war mit dem schwarzen Mercedes-Kombi von der schmalen Kreisstraße, die durch das Roggental führte, in einen Forstweg abgebogen und die knapp hundert Meter zur anderen Hangseite hinüber gefahren. Dort hatte er die Scheinwerfer ausgeschaltet, den Wagen gewendet und rückwärts so nah wie möglich an den parallel zum Hangwald verlaufenden Wanderweg rangiert.
    Die Augen des Mannes gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit, in der sich das schmale Stück Himmel über ihm schemenhaft von der bewaldeten Umgebung abhob. Es war kurz vor drei Uhr, als er die Heckklappe des Mercedes geöffnet und diese verdammt schwere Leiche herausgezerrt hatte. Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach und wie sein Herz pochte. Erst jetzt drang langsam in sein Bewusstsein, was er angerichtet hatte. Hektik und panische Angst machten sich breit. Er lauschte in die Schwärze. Doch außer den entfernten Schreien eines Nachtvogels und dem Plätschern von Wasser war nichts zu hören. Vor allem kein Fahrzeug. Um diese Zeit, das wusste er, verkehrten auf dieser untergeordneten Kreisstraße ohnehin nur wenige Autos. Andererseits war es die Samstagnacht, in der junge Leute von der Disko heimkommen konnten. Er griff nach der Heckklappe, zog sie nach unten und ließ sie mit einem sanften Klick einrasten.
    Die Leiche, die hinter dem Wagen im aufgeweichten, regennassen Sand des Forstwegs lag, war noch warm. Der Mann blickte sich um, unfähig, irgendwelche Details zu erkennen. Orientieren konnte er sich trotzdem, denn er kannte diese Gegend, wusste also, dass sich nur ein paar Schritte entfernt in einem Hangeinschnitt eine Höhle befand. Zu ihr führte ein steiniges Bachbett, das jetzt im Sommer ausgetrocknet war.
    Der Mann entsann sich des Autofahrer-Bergegriffs, wie er ihn vor Jahrzehnten in der Fahrschule gelernt hatte: Mit den Händen von hinten unter den Achseln des Opfers durchgreifen, sich dessen linken Unterarm fassen und mit beiden Händen festhalten. Auf diese Weise ließen sich sogar die schwersten Menschen rückwärts wegziehen.
    Doch er hatte sich dies einfacher vorgestellt. Denn jetzt spielten die Nerven verrückt. Er fluchte in sich hinein. In der Dunkelheit entglitt ihm der leblose Körper immer wieder, fiel zur Seite, sackte weg. Es dauerte einige endlose Minuten, bis er ihn schließlich so umgedreht hatte, dass er unter den Achseln durchgreifen konnte. Und plötzlich war da ein Geräusch. Die Stille wurde zerschnitten. Der Mann erstarrte und umklammerte die Leiche noch fester, presste sie an sich, spürte den Wollpullover im Gesicht. Es war ein Motor. Eindeutig. Ein Auto. Das Herz pochte bis zum Hals. Flucht? Sollte er flüchten? Leiche und Fahrzeug zurücklassen? Tausend Gedanken in einer einzigen panischen Sekunde. Doch in Wirklichkeit wäre er zu gar nichts fähig gewesen.
    Es verging eine Ewigkeit bis rechts drüben auf der Kreisstraße Scheinwerfer auftauchten, die zunächst nur von weitem unruhig durch den Bewuchs der Böschung flackerten. Der Mann zitterte am ganzen Körper, schwitzte und fror, spürte Schüttelfrost, atmete schnell und flach und hielt die Leiche weiter im Klammergriff. Er verfolgte die Lichter, die sich viel zu langsam der Einmündung des Forstwegs näherten. Entsetzliche Momente. Blinker? Abbiegen? Nein, kein Blinker, Gott sei Dank, kein Blinker, kein gelbes Licht. Kein Liebespaar, das ein lauschiges Plätzchen suchen würde, stellte der Mann fest. Die Geschwindigkeit blieb konstant. Und dann endlich war das Auto auch an der Einmündung vorbei, entfernte sich talaufwärts und ließ diese Schwärze der Nacht zurück. Wieder schrie der Nachtvogel, viel lauter als zuvor.
    Der Mann nahm seine ganzen Kräfte zusammen, zog und zerrte die Leiche rückwärts weg, drehte sich halb um, versuchte das nahe Bachbett zu erkennen, das sich in einem tieferen Schwarzton von der Umgebung abhob. Plötzlich wurde ihm bewusst, wie laut die Geräusche waren, die seine Schritte in den Pfützen
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