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Mord

Mord

Titel: Mord
Autoren: Hans-Ludwig Kröber
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Handschrift kontrollieren, weil er viel Vermögen hatte. Er war Junggeselle und misstrauisch. Er sagte zu mir, dass der Astrologe lügt, der Graphologe aber nicht. Er hatte an der einen Stelle das koschere Geschirr, und das Gebrauchsgeschirr hatte er auf einer anderen Seite. Der Herr Perlmann ist dann zu seinem Schwager nach Frankfurt am Main gezogen. Damals waren schon die Judenverfolgungen, und oben und unten im Haus haben Nazis gewohnt, SS . Das ist wichtig, weil sie den Totenkopf irgendwo hatten. SA -Männer waren aber auch im Hause.»
    Frau Fürstner machte eine Pause. Ihr Sohn, das musste ihr doch bewusst sein, hatte einen Jungen umgebracht, dachte der Kommissar. Sie musste doch geahnt haben, dass der Schweinereien … In ihrer Wohnung. Und da saß sie hier, redete und redete, Sachen, die 20  Jahre zurücklagen oder mehr. So genau wollte er es gar nicht wissen. Aber wenn man versuchte, es abzukürzen, wurde es meist noch länger. Also einfach reden lassen. Nun kam sie auf den Vater des Tatverdächtigen zu sprechen.
    «Am 3 . Juli 1935 habe ich den Wilhelm Fürstner geheiratet. Er war damals nichts, das muss ich ausdrücklich sagen. In der Woche verdiente er 26  Mark als Tankwart in der Infanterie-Kaserne. Er war schon einmal verheiratet, mit Anita Fürstner geborene Bertram, in der Massener Straße. Dort hatte er alles zusammengehauen, Inventar, Möbel, weil er seine Frau unter zwölf Zeugen im Ehebruch mit dem Kappler ertappt hat. Aber seine Frau hat der auch vorher schon oft und viel geschlagen. Bei mir war das viel seltener, und dann hat er gesagt, Lene, wenn ich dich schlage, schlage ich mich selbst in das Gesicht. Wir waren 13  Jahre zusammen. Wir haben arm angefangen, weiß Gott. Als ich Fürstner sechs Wochen kannte, habe ich ihn meiner Mutter vorgestellt. Meine Mutter sagte, der sieht aus wie ein Spion, nimm ihn nicht, der ist ein Schläger und ein geschiedener Mann. Er hat einen ganz komischen Blick gehabt, wissen Sie, durch das Katzen- und Hundefressen, das spiegelt sich dann im Gesicht, im tierischen Ausdruck.»
    Sie heiratete den Fürstner, obwohl ihre Mutter dagegen war. Er war nämlich fleißig und arbeitsam, und sie kalkulierte: Mit dem Mann komme ich vorwärts. Vier Jahre blieb die Ehe kinderlos, weil Fürstner kein Kind wollte, er hatte 12  Geschwister. 1939 kauften sie ein Grundstück in Hörde und zeugten nun absichtlich ein Kind. Das muss sie den Polizisten erzählen, dass sie das noch ganz genau weiß, wie ihr Hinrich gezeugt wurde, den man jetzt des Mordes beschuldigt, was aber nicht gewesen sein kann. Das wisse sie noch ganz genau, das war nämlich am Tag und nicht in der Nacht, betrunken war Fürstner nicht, hat auch nicht geraucht. Aber die Schwangerschaft war nicht ganz einfach. Als sie im 7 . Monat war, sei bei der Hutmacherei Breiter im Rückgebäude ein Brand ausgebrochen, weil ein Bügeleisen nicht ausgeschaltet worden war. Sie habe aus dem Fenster geblickt und sich an die rechte Stirne gegriffen, und dadurch habe ihr Kind an der rechten Stirne das Feuermal bekommen.
    Hinrich wurde am 29 . August 1939 geboren. Bei Kriegsausbruch, am 1 . September, war Magdalene Fürstner noch in der Klinik. Hinrich bekam 12  Tage nach der Geburt an den Armen Hitzebläschen. Die Ärzte sagten, das sei eine Phlegmone, eine Entzündung des ganzen Armes. Der Säugling wurde in die Kinderklinik verlegt, dort wurden ihm die Arme zerschnitten. Die Ärztin meinte sogar, man müsse ihm den rechten Arm abnehmen. Fürstner war darüber so erzürnt, dass er den Jungen mitnahm, sterben könne er auch zu Hause. Er ging mit dem kleinen Hinrich nach Hause, und er starb nicht. Sie selbst musste in der Frauenklinik bleiben, und die Oberin sagte, sie solle ihre Milch abpumpen. Frau Fürstner berichtete im Polizeipräsidium, das habe sie sechs Wochen lang getan, jeden Tag mindestens drei Flaschen. Sie habe das Opfer gebracht, aber ihre Nerven hätten darunter sehr gelitten. Dadurch sei ihr Gehirn geschwächt worden, eigentlich das ganze Nervensystem, denn wenn sie abgepumpt habe, habe sie das im Kopf gespürt. Sie kam daraufhin in die Nervenklinik, blieb dort Monat für Monat und sah ihr Baby nur noch, wenn ihre Mutter und Fürstner sie mit dem Kind besuchen kamen.
    Was sie nicht mehr erinnern konnte, was aber in den Krankenakten stand: Das Kind hat sie damals bei den Besuchen nicht recht interessiert, sie hat es angesehen mit fremden Augen. Sie hatte im Wochenbett Angstzustände gehabt und sich beobachtet
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