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Mord

Mord

Titel: Mord
Autoren: Hans-Ludwig Kröber
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mit diesem kleinen Peter? Den hatte er jetzt mehrmals mitgebracht, einen spillerigen hübschen Jungen, der grade mal 10  Jahre alt sein mochte und der immer Hunger hatte. Die Eltern waren wohl Flüchtlinge. War ja eigentlich nett, wenn Hinrich sich da kümmerte.
    Als sie heimkam, war Hinrich nicht da, die Wohnung leer, auf dem Küchentisch standen ein schmutziger leerer Teller mit Besteck, ein Glas mit einem Rest gelber Limonade. Sie schaute in Hinrichs Zimmer, das Bett war ungemacht, ein paar Sachen lagen herum, das sollte er ruhig selbst aufräumen. Sie schälte Kartoffeln, setzte sie auf, hörte «Zwischen Rhein und Weser», panierte zwei Koteletts und wartete, dass Hinrich kam. Wenn er bis zur «Tagesschau» nicht kam, würde sie alleine essen. Es war warm, die Fenster waren auf, sie setzte sich auf den kleinen Balkon und hörte die Amseln im Wechselgesang. Es herrschte Frieden und Ruhe, lautlos rieselte der Staub der Zechen und Hüttenwerke.
    Magdalene hatte bereits den Fernseher für die «Tagesschau» angeschaltet, als es schellte. Das konnte Hinrich nicht sein, der hatte einen Schlüssel. Sie machte auf, und zwei Polizisten standen vor der Tür, in Uniform, lüfteten kurz den Hut und baten, eintreten zu dürfen. Sie müssten nach einem Jungen schauen, der angeblich in ihrer Wohnung sei, sie hätten einen Anruf bekommen. Sie sagte, dass kein Junge in der Wohnung sei, sie sei ganz allein, warte nur auf ihren Sohn, der sei schon erwachsen. Aber natürlich, sie könnten gerne nachsehen.
    Die beiden Beamten kamen herein, schauten in die zwei Zimmer, ins Bad, in die Küche, und dann schauten sie unter die Betten. Von dort zog einer, erst am Fuß, dann an der Hüfte, Peter unter Hinrichs Bett hervor. Da lag er, nackt, auf dem Rücken, Magdalene schaute auf sein Glied, seinen kleinen glatten Hodensack, seinen schlanken, etwas verrenkten Körper. Das Gesicht war rotblau, links in der Brust gab es drei Verletzungen, etwas Blut, und sie sah einen oberflächlichen halbkreisförmigen Schnitt oberhalb des Penis. Unter dem rechten Bein lag eine kurze Lederhose, darauf ein geringeltes Sommerhemdchen.
    Magdalene starrte das tote Kind an, hielt die Hand vor den Mund und sagte leise: «Das ist Peter.» Die Beamten fragten, ob sie mal telefonieren dürften. Magdalene ging in die Küche, setzte sich auf die Bank und dachte nach. Aber sie verstand nichts. Woher wussten die Polizisten von dem Kind, aber nicht dessen Namen? Sie seien angerufen worden von einem Mann, wahrscheinlich ihrem Sohn, «Fürstner» habe der sich gemeldet. Habe die Adresse angegeben, Walterstraße, vierter Stock, da liege ein totes Kind unterm Bett, und er selbst werde auch kommen. Nein, sagte sie, sie habe nichts davon gewusst, sie sei nach Hause gekommen, habe nichts gemerkt, sie habe nichts damit zu tun. Ihr Sohn aber sicher auch nicht. Das hier sei ein kleiner Freund von Hinrich, seit ein paar Wochen.
    Zehn Minuten später kam Hinrich nach Hause, sommerlich gekleidet, das Haar etwas verstrubbelt – sie wollte ihm mit den Fingern durch den Schopf fahren –, und er roch etwas nach Bier. Betrunken war er sicher nicht. Er sah sie nicht an, kümmerte sich gar nicht um sie, sprach nur mit den Beamten. In der Küche zog er eine Schublade heraus und zeigte den Beamten ein Messer. Das sei das Messer, er habe es abgewaschen und hier reingelegt. Die Beamten wollten das Gespräch nun lieber auf der Dienststelle fortsetzen. «Zieh dir eine Jacke über, es wird abends kühl», sagte Magdalene, als ihr Sohn sich zur Tür wandte, um mit den Beamten loszugehen. Als er die Treppe hinunter stieg, kamen ihm vier Männer in Zivil entgegen, mit Koffern, grüßten Frau Fürstner kurz und machten sich an die Tatortarbeit. Sie selbst wurde für den nächsten Tag ins Präsidium bestellt.
    Sie blieb in der Küche, während die Kriminalbeamten ihre Arbeit machten. Die Kartoffeln hatte sie abgegossen, der Teller mit den ungebratenen Koteletts stand auf der Anrichte. Sie nahm ein Glas und füllte es am Hahn mit Leitungswasser. Als die Küche dran war, setzte sie sich ins Wohnzimmer, in dem auch ihre Bettcouch stand. Sie machte kurz den Fernseher an, seit einem Jahr gab es ein zweites Programm, aber sie nahm gar nicht wahr, was da auf dem Bildschirm lief, stellte nach wenigen Minuten wieder ab. Als die Leiche abtransportiert worden war und alle Beamten fort waren, füllte sie nochmals das Glas und setzte sich wieder auf den kleinen Balkon, der von der Küche abging. Sie hatte
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