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Mord und Mandelbaiser

Mord und Mandelbaiser

Titel: Mord und Mandelbaiser
Autoren: Jutta Mehler
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plapperst. Soll Rudolf sich das Geschäft ruinieren?« Mit einem verächtlichen Blick wandte sie sich von Thekla ab und sah Wally ermunternd an. »Was wäre denn deiner Meinung nach geschehen, wenn Rudolf auf einer zweiten Totenschau bestanden hätte?«
    Wally machte wieder Kugelaugen. »Oh Gott, so was darf man doch den trauernden Hinterbliebenen nicht antun!«
    »Richtig«, sagte Hilde beifällig. »In dir steckt eine Menge mehr Geschäftssinn als im Management der Stein’schen Apotheke.«
    Wally strahlte. Geschäftssinn hatte ihr wohl noch nie jemand bescheinigt.
    Dozierend fuhr Hilde fort: »Die Hinterbliebenen würden sich bitterlich beschweren. Im Nu würde sich in Granzbach, Moosbach und Scheuerbach verbreiten, dass Rudolf Westhöll ein misstrauischer Hund sei, der gern mal eine Todesursache überprüfen lasse, weil er seine Kunden verdächtige, beim Sterben von Oma oder Opa nachgeholfen zu haben.« Sie bohrte ihren Blick in Theklas Augen und fragte streng: »Wie lange, glaubst du, würde er sich daraufhin noch im Geschäft halten können?«
    Thekla dachte, dass man – Gerede der Leute hin oder her – immer den geradlinigen Weg beschreiten sollte, mochte sich jedoch auf keine Diskussion darüber einlassen. Deshalb zuckte sie bloß die Schultern.
    Weil Hilde daraufhin sichtlich verschnupft schwieg, sagte sie nach einer kurzen Pause einlenkend: »Dein Neffe steckt also in der Zwickmühle. Einerseits macht er sich Sorgen wegen der merkwürdigen Flecken, andererseits wagt er es nicht, offen darüber zu sprechen.«
    Hilde nickte, antwortete aber nicht, denn Elisabeth war an den Tisch getreten und begann damit, auf einem schmalen Notizblock zu addieren, was die Damenrunde an diesem Nachmittag konsumiert hatte. Das tat Elisabeth jeden Mittwoch auf die Minute um sechzehn Uhr dreißig, seit vor einigen Jahren Wallys Mann ins Café Krönner gestürmt war, Wally von ihrem Platz gezerrt und hinausgeschleift hatte. Inzwischen hatte sich einiges geändert, weshalb es eigentlich nicht mehr nötig gewesen wäre, den Kaffeeklatsch pünktlich zu beenden. Aber irgendwie war es unterblieben, Elisabeth davon in Kenntnis zu setzen.
    Zu Anfang waren Thekla, Hilde und Wally mittwochs immer getrennt nach Straubing gekommen: Thekla aus Moosbach, Wally aus Scheuerbach, Hilde aus Granzbach – drei kleine Städtchen, die sich ein schönes Stück donauabwärts der Kreisstadt aufreihten. Moosbach lag Straubing am nächsten, Granzbach war am weitesten entfernt, und genau in der Mitte zwischen den beiden Orten erhob sich der Kirchturm von Scheuerbach. Die drei Frauen hatten Einkäufe gemacht, dies und das erledigt und sich anschließend im Krönner zum Kaffee getroffen, denn seit Langem verband sie eine – wenn auch recht lose – Freundschaft.
    Ihre Wurzeln hatte diese Freundschaft in der gemeinsamen Internatszeit im Straubinger Ursulinenkloster, in dem seit 1691 mit kurzen kriegsbedingten Unterbrechungen kleine Mädchen zu frommen, gebildeten jungen Frauen erzogen wurden (was allerdings nicht durchwegs gelang). Thekla, Hilde und Wally hatten sich seit den inzwischen gut fünf Jahrzehnte zurückliegenden gemeinsamen Nächten in einem Zwanzigbettenschlafsaal und gemeinsamen Mahlzeiten im ungastlichen Hundertplätzespeiseraum erstaunlicherweise nicht aus den Augen verloren, obwohl Wally bereits in der Unterstufe und Hilde nach der mittleren Reife von der Klosterschule abgegangen waren.
    Bis zu einem tiefwinterlichen Mittwoch im Januar vor vier Jahren waren die drei Frauen also jede Woche getrennt nach Straubing gefahren: Thekla in ihrem Peugeot, Hilde in ihrem Passat und Wally im Wagen ihres Mannes. Sie waren auch an jenem Januarmittwoch getrennt gekommen, an dem es seit dem frühen Morgen große Flocken schneite. Als sich die drei wieder auf den Nachhauseweg machten, lag eine dichte, von vielen Autoreifen glatt gebügelte Schneedecke auf den Straßen, was Wally aber nicht zu einer Änderung ihres Fahrstils veranlasste. Sie startete den Mercedes, den sich ihr Mann erst die Woche zuvor angeschafft hatte (hauptsächlich um der Konkurrenz zu zeigen, wie gut die Tischlerei Maibier & Söhne dastand), und fuhr forsch davon.
    Der Grund, weshalb sie nicht schon viel früher von der Straße abkam, lag vermutlich darin, dass die Strecke Straubing–Scheuerbach keine nennenswerten Kurven aufwies, bis man die Christophorus-Statue auf der Brücke über den Moosbach erreichte, wo sie sich nach einem Gefälle zu winden begann und in Form mehrerer
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