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Mord und Mandelbaiser

Mord und Mandelbaiser

Titel: Mord und Mandelbaiser
Autoren: Jutta Mehler
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aneinandergereihter S nach Scheuerbach hineinführte.
    Der Wagen rollte flott die Anhöhe zur Brücke hinunter, hielt die Spur sogar, bis er sie überquert hatte, brach jedoch in der ersten Krümmung des ersten S aus, schrammte an einer Betonmauer entlang, kippte zur Seite und blieb ziemlich ramponiert liegen. Im Gegensatz zum Mercedes ihres Mannes hatte Wally nicht den kleinsten Kratzer abbekommen.
    Bei ihrem nächsten Treffen erzählte sie Thekla und Hilde, ihr Mann habe keinen Zweifel daran gelassen, dass es ihm umgekehrt lieber gewesen wäre. Zudem habe er ihr die Autoschlüssel abgenommen, und von da an wurde Wally von ihrem Mann oder von einem ihrer Söhne chauffiert, wenn sie Besorgungen machen musste. Auch eine wöchentliche Fahrt nach Straubing wurde ihr zugestanden, allerdings mit der Auflage, dass Wally sich pünktlich um sechzehn Uhr fünfundvierzig auf dem Parkplatz am Hagen einzufinden habe.
    Sie hielt sich streng daran. Fast ein ganzes Jahr lang stand sie mittwochs pünktlich um Viertel vor fünf neben dem Nachfolger des geschrotteten Mercedes. An dem Tag, an dem sie es vergaß, weil Hilde so unterhaltsam von der Beerdigung des Granzbacher Bürgermeisters erzählte, war ihr Mann wütend ins Krönner marschiert und hatte Wally vor aller Augen hinausgeschleift.
    »Aus«, hatte Wally ins Telefon geheult, als Thekla am folgenden Tag bei ihr anrief. »Kein Kaffeeklatsch mehr bei Krönner. ›Einkaufen‹, hat mein Mann gesagt, ›kannst du zukünftig in Scheuerbach. Wir haben ein Edekageschäft und neuerdings sogar einen Lidl. Wir haben eine Drogerie, einen Friseur, eine …‹« Wallys Aufzählung war in Schluchzen übergegangen.
    »Mitnichten Schluss«, hatte Thekla geantwortet und den Kopf geschüttelt. »Ich frage mich bloß, warum ich erst jetzt darauf komme. Wir hätten es ja gleich von Anfang an so machen können, dass Hilde dich mitnimmt. Auf dem Weg von Granzbach nach Straubing fährt sie doch sowieso an eurer Tischlerei vorbei, fast jedenfalls. Du könntest an der Brücke zu …«
    Wally hatte Thekla gar nicht ausreden lassen. »Ich frag sie. Ich frag sie jetzt gleich!«
    Seither wartete Wally jeden Mittwoch an der Christophorus-Statue auf Hildes Passat. Die beiden hätten zehn Kilometer weiter eigentlich auch noch Thekla aufpicken können, aber die wollte lieber unabhängig sein, denn manchmal hatte sie vor dem gemeinsamen Treffen bei Krönner mehr zu erledigen, manchmal weniger.
    Elisabeth bedankte sich fürs Trinkgeld und wünschte den Damen eine schöne Woche.
    Thekla, die heute mit dem Bezahlen dran gewesen war, verstaute ihr Portemonnaie in der Handtasche. Sie wollte sich gerade von ihrem Platz erheben, da sagte Wally: »Gehört es sich nicht, der Witwe des Dichters zu kondolieren?«
    Hilde lachte spöttisch. »Die Neugier lässt dir wohl keine Ruhe, was? Willst ihn dir unbedingt ansehen, den Dichter Hermann Lanz als bayerischen Wotan.« Etwas ernster fuhr sie fort: »Ehrlich gesagt würde es mich selbst interessieren, wie Rudolf die Verwandlung gelungen ist.« Sie wandte sich an Thekla. »Außerdem werden eine Menge Leute da sein, die wir in Augenschein nehmen könnten. Vielleicht ist jemand dabei, der ein auffallend zufriedenes Gesicht macht.«
    Thekla verdrehte die Augen. »Jeder, der – so wie ich – Lanzens Gedichte kläglich fand, könnte einen Ausdruck von Zufriedenheit zeigen. Was noch lange nicht heißt, dass er den Stümper umgebracht hat.«
    »Thekla! Oh Gott, nein!« Wally machte das Krötengesicht.
    »Du gehst zu weit, Thekla«, sagte Hilde streng.
    Thekla ließ sich nicht einschüchtern. »Ja, wer hat uns denn des Langen und Breiten von ominösen Flecken vorgeschwafelt? Wie ernst ist es dir denn damit, dass sie möglicherweise Anzeichen dafür sind, beim Sterben könnte nachgeholfen worden sein? Hast du etwa zu viel Schiss davor, dein Neffe könnte Leichen eingebuddelt haben, die ins gerichtsmedizinische Institut eingeliefert hätten werden sollen, um der Sache nachzugehen?«
    Während Thekla sprach, war Hilde sichtlich in sich zusammengesunken. Plötzlich tat sie Thekla leid. Behutsam legte sie ihre Hand auf Hildes Arm. »Wir machen einen Kondolenzbesuch – wir alle drei. Wir sehen uns den toten Dichter an, betrachten die Trauergäste kritisch und fragen die Witwe, was er in letzter Zeit für Medikamente einnehmen musste.«
    Hilde straffte sich etwas. »Von der Witwe werden wir nicht einmal erfahren, ob der Dichter in letzter Zeit vornehmlich Wein oder Kräutertee getrunken
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