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Mord und Mandelbaiser

Mord und Mandelbaiser

Titel: Mord und Mandelbaiser
Autoren: Jutta Mehler
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Mineralwasser, Hilde noch mal Tee und Wally eine weitere heiße Schokolade.
    »Rudolf und auch ich möchten wissen, was die Flecken zu bedeuten haben«, sagte Hilde nach einer Weile. »Deshalb bitte ich dich, Thekla, die Sache mit deinem Bruder zu besprechen. Als Apotheker muss er doch über die Nebenwirkungen von Arzneien genauestens Bescheid wissen.«
    Müsste er, dachte Thekla, während sie Elisabeth beim Servieren der eben bestellten Getränke zusah. Würde er, wenn er sich mehr für seinen Beruf begeistern könnte.
    Nach althergebrachtem Brauch hatten die Eltern von Martin und Thekla Stein schon frühzeitig festgelegt, was aus ihren Kindern einmal werden sollte. Der Junge – wer sonst? – würde die Stein’sche Apotheke übernehmen, das Mädchen würde einen Lehrberuf ergreifen. Deutsch und Geschichte, das fanden die Steins angemessen für die Tochter eines Apothekers. Es kam ihnen wohl überhaupt nicht in den Sinn, darauf Rücksicht zu nehmen, dass Martin geradezu süchtig nach technischem Spielzeug war, wogegen Thekla den ganzen Tag in der Apotheke zubrachte und mit sechs Jahren bereits wusste, warum Antibiotika nur auf ärztliche Anweisung ausgegeben werden durften, Retterspitz dagegen frei verkäuflich war.
    Martin, von Natur aus fügsam, schrieb sich Anfang der Siebziger für das Fach Pharmazie an der Universität in München ein. Vier Jahre später machte er seinen Abschluss, heiratete eine Studienkollegin und übernahm kurz darauf die Stein’sche Apotheke, weil sein Vater an Magenkrebs erkrankt war. Nach dessen Tod (die Mutter war schon etwas früher verstorben) zog das junge Paar in Martins Elternhaus – und dort ging die Ehe zu Bruch.
    Schon zuvor hatte sich Martin jede freie Minute mit seiner Modelleisenbahn, seinen Miniaturdampfmaschinen und Miniaturdieselmotoren beschäftigt. Nach dem Umzug hatte er das gesamte Dachgeschoss des Elternhauses für seine Spielereien in Beschlag genommen und dort seiner Liebhaberei gefrönt. Indessen war seine Frau gezwungen, sich um die Kundschaft in der Apotheke und um das gemeinsame Kind zu kümmern. Irgendwann bekam sie genug vom strapaziösen Alltag, vom Leben auf dem Land und von Martin sowieso. Mitte der Achtziger ließ sie sich großzügig abfinden und kehrte samt Tochter nach München zurück, wo sie aufgewachsen war.
    Notgedrungen musste sich Martin nun wieder selbst um die Kunden in der Apotheke bemühen, wenn er nicht auch noch beruflich Schiffbruch erleiden wollte.
    Paradoxerweise zeigte es sich jetzt von Vorteil, dass auch Thekla von ihren Eltern auf einen Weg gezwungen worden war, der an kein glückliches Ende führen sollte. Weniger fügsam als ihr Bruder, hatte sie sich zwar aufgelehnt und darauf bestanden, ebenfalls Pharmazie zu studieren, hatte aber zähneknirschend nachgeben müssen, als ihr Vater sagte: »Lehramt oder gar nichts.«
    Letztendlich war es dann auf gar nichts hinausgelaufen.
    Thekla hatte ihr Studium vorzeitig abgebrochen, hatte geheiratet, war geschieden worden und stand Mitte der Achtziger allein und ohne Ausbildung da. Martin bot ihr an, zu ihm ins gemeinsame Elternhaus zu ziehen, sich um den Haushalt zu kümmern und – falls sie noch Lust dazu hatte – die kurze Ausbildung zur PTA zu absolvieren, damit sie auch in der Apotheke mithelfen könne. Thekla hatte das Angebot angenommen, und somit war ihrer beider Leben schließlich in die erhoffte Bahn geschwenkt – halbwegs zumindest.
    Da Thekla nun seit bald dreißig Jahren täglich mitbekam, wie wenig Martin sich für die Ware interessierte, die er von Berufs wegen unter die Leute bringen musste, war ihr klar, dass er keine Ahnung haben würde, welches Medikament seltsame Flecken oder Blasen an den Knie-Innenseiten verursachen konnte.
    Und sie selbst? Obwohl sie sich viel mit Nebenwirkungen von Arzneien beschäftigte, um ihre Kundschaft sachkundig beraten zu können, hatte sie noch nie von einem derartigen Symptom gehört.
    Was zu bedeuten haben dürfte, dachte Thekla, dass es außerordentlich selten auftritt.
    Nachdenklich sagte sie zu Hilde: »Warum hat dein Neffe nicht einen weiteren Arzt hinzugezogen? Das hätte ihm doch niemand verbieten können. Und mit einer gründlichen Untersuchung wäre man dem Phänomen schon auf die Spur gekommen. Dr. Friesing, der seit ein paar Monaten in Moosbach …«
    Hilde stellte die Tasse, aus der sie gerade hatte trinken wollen, mit einem Knall zurück auf den Tisch. »Könntest du mal eine Sekunde lang nachdenken, bevor du solchen Unsinn
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