Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord Nach Maß

Mord Nach Maß

Titel: Mord Nach Maß
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
nicht.«
    »Was ist denn passiert, Mike?«
    »Ich habe Ellie gesehen.«
    »Wie meinst du – Ellie gesehen?«
    »Als ich hier heraufstieg und um die Biegung kam, da stand sie unter einer Fichte und sah mich an – das heißt, sie sah in meine Richtung.«
    Greta starrte mich an. »Mach dich nicht lächerlich. Das – das hast du dir nur eingebildet!«
    »Vielleicht. Es wäre kein Wunder hier auf Gipsy’s Acre. Doch, doch, sie stand da und sah – und sah ganz glücklich aus. Wie immer. Als ob sie immer da gewesen wäre und da sein würde.«
    »Mike!« Greta packte mich an der Schulter und schüttelte mich. »Mike, sag doch nicht so was. Hast du denn getrunken?«
    »Nein, erst hier. Ich wusste, du wirst mich mit Champagner erwarten.«
    »Also, dann wollen wir Ellie vergessen und auf uns anstoßen.«
    »Aber es war Ellie«, beharrte ich.
    »Nein, es war eine Lichtspiegelung oder so was.«
    »Es war Ellie, sie stand da und sah mir entgegen. Aber sie erkannte mich nicht.« Ich hob die Stimme. »Greta, sie erkannte mich nicht, und ich weiß jetzt auch, warum. Ich weiß jetzt, warum sie mich nicht sehen konnte.«
    »Wie?«
    Und jetzt gestand ich es mir zum ersten Mal flüsternd ein: »Weil ich’s gar nicht war. Sie konnte mich nicht sehen, nur – Nichts. Das Nichts… Es wartet schon lange auf mich, seit meiner Geburt. Mutter hat’s immer gewusst, aber damals war ich noch nicht so weit. Und Santonix. Er wusste auch, wohin es mit mir ging. Aber es hätte sich noch vermeiden lassen, einen Augenblick lang hätte es sich vermeiden lassen. Damals, als Ellie auf ihrer Gitarre spielte. Ich hätte doch ganz glücklich werden können… in der Ehe mit Ellie. Es hätte doch alles so bleiben können mit uns beiden – sie und ich verheiratet.«
    »Nein, das hätte es nicht«, sagte Greta. »Dass du zu denen gehörst, die die Nerven verlieren, hätte ich auch nicht gedacht, Mike.« Wieder schüttelte sie mich. »Wach doch auf!«
    Ich starrte sie an. »Tut mir leid, Greta. Was hab ich denn gesagt?«
    »Dir haben sie wohl in den Staaten arg zugesetzt. Aber du hast dich gut geschlagen, oder? Das Geld ist doch richtig angelegt?«
    »Es ist alles arrangiert. Alles ist arrangiert für unsere Zukunft, unsere glorreiche Zukunft.«
    »Wie komisch du dich ausdrückst. Ich wüsste wirklich gern, was Lippincott da schreibt.«
    Ich zog den Brief heran und öffnete ihn. Er enthielt weiter nichts, nur einen Zeitungsausschnitt. Alt und schon ziemlich zerknittert. Ich starrte darauf. Das Foto zeigte eine Straße, eine mir bekannte Straße, mit irgendeinem Prachtgebäude im Hintergrund. Es war eine Hamburger Straße, in der eine Gruppe Touristen auf den Fotografen zukam. Ganz vorn ging ein Paar Arm in Arm: Greta und ich. Also hatte Lippincott Bescheid gewusst. Er war die ganze Zeit darüber im Bilde gewesen, dass ich Greta kannte. Irgendwer musste ihm diesen Zeitungsausschnitt geschickt haben, nicht unbedingt in böser Absicht. Vielleicht nur, weil es ihn amüsiert hatte, Miss Greta Andersen beim Spaziergang durch Hamburg entdeckt zu haben. Ich erinnerte mich, wie eingehend er mich befragt hatte, ob ich Greta schon kennengelernt hätte. Natürlich hatte ich es abgestritten, aber er hatte gewusst, dass es eine Lüge war. Von da an musste er mir misstraut haben.
    Plötzlich bekam ich Angst vor Lippincott. Bestimmt konnte er nicht argwöhnen, dass ich Ellie umgebracht hatte, aber dennoch verdächtigte er uns. Vielleicht doch des Mordes…
    »Er wusste also, dass wir uns kennen, wusste es die ganze Zeit. Mir war dieser alte Fuchs schon immer verhasst, und er konnte dich noch nie leiden. Wenn er erfährt, dass wir heiraten wollen, muss er misstrauisch werden.« Aber ich musste mir eingestehen, dass Lippincott sicherlich argwöhnte, Greta und ich wollten eines Tages heiraten. Er wusste, dass wir uns kannten, und hielt uns sicherlich für ein Paar.
    »Mike, sei kein Hasenfuß. Ja, das hab ich gesagt, ein Hasenfuß. Ich hab dich immer bewundert, aber jetzt verlierst du völlig die Nerven. Du fürchtest dich vor Gott und der Welt.«
    »Red nicht so mit mir!«
    »Aber es ist doch wahr!«
    »Ins Nichts…«
    An nichts anderes konnte ich denken: Nichts, Nacht, endlose Nacht. Umnachtet. Das bedeutete Dunkel, schwarze Finsternis. Es bedeutete, dass ich nicht mehr sichtbar war. Ich konnte Verstorbene sehen, aber die Verstorbenen nicht mich, obwohl ich noch lebte. Aber ich war schon nicht mehr da. Der Mann, der Ellie geliebt hatte, existierte nicht mehr. Er war aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher