Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord Nach Maß

Mord Nach Maß

Titel: Mord Nach Maß
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
sah ich sie. Sie war tot und begraben, lag in der Gruft in den Staaten, aber nichtsdestoweniger stand sie unter dem Baum und schaute mich an. Nein, nicht direkt. Sie schaute eher nach mir aus, als erwarte sie mich, und ihr Gesicht strahlte vor Liebe. Genau wie damals, als sie Gitarre gespielt hatte; damals hatte sie mich gefragt: »Warum schaust du mich so an?« Und ich hatte entgegnet: »Wie schaue ich dich denn an?« Sie hatte geantwortet: »Als ob du mich liebst…«, und ich hatte irgendetwas Albernes erwidert wie: »Natürlich liebe ich dich.«
    Ich stand wie festgewurzelt, mitten auf der Straße. Ich stand da und zitterte. Dann sagte ich laut: »Ellie.«
    Aber sie rührte sich nicht, blieb stehen und schaute – geradewegs durch mich hindurch. Und das jagte mir diese Angst ein, denn ich wusste, wenn ich mir auch nur eine Sekunde Zeit zum Überlegen nahm, musste ich begreifen, warum sie durch mich hindurchsah, und eben das wollte ich nicht. Nein, ich wollte es nicht wissen, auf gar keinen Fall.
    Da begann ich zu rennen. Ich rannte feige, wie von Furien gehetzt, den Rest des Wegs, bis ich die Lichter meines Hauses schimmern sah und diese blödsinnige Panik abschüttelte. Dies war doch der Tag meines Triumphs! Ich war heimgekehrt in mein Haus, heim zu der wunderbarsten Frau der Welt, auf die all mein Denken und Handeln gerichtet war. Jetzt endlich konnten wir heiraten und auf Gipsy’s Acre leben.
    Die Tür war unverschlossen. Ich ging hinein, schüttelte den Staub von den Schuhen und trat durch die offene Tür der Bibliothek. Greta stand drinnen am Fenster und erwartete mich.
    Sie war strahlend schön, das Schönste, was ich je erblickt hatte – sie roch und schmeckte nach Sex. Wir hatten uns so lange kasteien müssen – bis auf die seltenen und kurzen Male oben im Pavillon.
    Ich lief geradewegs in ihre offenen Arme. Es war einer der schönsten Augenblicke meines Lebens.
    Schließlich fanden wir wieder zur Erde zurück. Ich setzte mich, und sie schob mir einen Stapel Post zu. Fast automatisch griff ich nach dem mit der amerikanischen Marke, es war der Luftpostbrief von Lippincott. Ich fragte mich, was er mir da schickte, warum er mir unbedingt einen Brief hatte schreiben müssen.
    »Na also«, sagte Greta und seufzte tief und zufrieden auf, »wir haben’s geschafft.«
    »Und wie. Sieger an allen Fronten.«
    Wir brachen in Gelächter aus, in wildes Gelächter. Auf dem Tisch stand Champagner, ich goss ein, und wir prosteten einander zu.
    »Wunderbar ist es hier.« Ich sah mich um. »Viel schöner, als ich es in Erinnerung hatte. Santonix… Aber das hab ich dir noch gar nicht erzählt, Santonix ist tot.«
    »Ach du liebe Güte, wie schade. Also war er wirklich krank?«
    »Natürlich war er krank. Ich wollte es nur nicht wahrhaben. Als er starb, war ich bei ihm.«
    Greta fröstelte ein bisschen. »Für mich wäre das nichts. Hat er noch was gesagt?«
    »Eigentlich nicht. Nur irgendetwas, dass ich ein verdammter Idiot sei; ich hätte den anderen Weg gehen sollen.«
    »Wie denn – welchen anderen Weg?«
    »Ich weiß doch auch nicht. Wahrscheinlich war er schon im Delirium. Wusste nicht mehr, was er sagte.«
    »Na ja«, meinte Greta, »mit diesem Haus hat er sich ein schönes Denkmal gesetzt. Am besten, wir behalten es, was meinst du?«
    Ich starrte sie an. »Natürlich behalten wir’s. Glaubst du vielleicht, ich will woanders wohnen?«
    »Aber doch nicht die ganze Zeit«, wandte Greta ein. »Das ganze Jahr in so einem Loch wie Kingston Bishop begraben sein?«
    »Mir gefällt’s hier. Ich wollte von Anfang an hier wohnen, so hab’ ich’s mir vorgestellt.«
    »Ja, sicher. Aber schließlich, Mike, haben wir so viel Geld, wie wir uns nur wünschen können. Wir können herrliche Reisen machen, durch ganz Europa, oder lass uns nach Afrika auf Safari gehen! Wir wollen etwas erleben, Abenteuer, wir wollen uns die Welt ansehen, die herrlichen Gemälde. Ja, und Angkor Vat, die Tempelstadt. Reizt dich denn das nicht auch?«
    »Na ja, schon… Aber wir werden immer hierher zurückkehren, ja?«
    Ein seltsames Gefühl überkam mich, ein Gefühl, dass irgend etwas falsch lief. Nie hatte ich an etwas anderes gedacht als an mein Haus und an Greta. Nichts sonst wünschte ich mir. Aber sie… ja, das sah ich jetzt. Sie fing gerade erst an mit dem Wünschen. Mit dem Begreifen, dass ihr jetzt nichts mehr versagt wurde. Eine böse Ahnung überfiel mich.
    »Was ist denn, du zitterst ja. Hast du dich erkältet?«
    »Nein, das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher