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Mord Nach Maß

Mord Nach Maß

Titel: Mord Nach Maß
Autoren: Agatha Christie
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aber langsam, Mrs Lee«, mischte ich mich ein. »Machen Sie doch der jungen Dame hier keine Angst.«
    Erklärend wandte ich mich an Ellie. »Mrs Lee wohnt unten im Dorf, in einer Kate. Sie versteht sich aufs Wahrsagen und Prophezeien, nicht wahr, Mrs Lee?«
    »Ich hab das Gesicht«, sagte sie einfach und reckte sich noch höher auf, »ich hab das Gesicht und sehe mehr als euereins. Es ist uns angeboren. Ich sage die Zukunft voraus, Miss, salb mir die Hand mit Silber, und ich sag dir deine Zukunft.«
    »Ach nein, lieber nicht, ich bin nicht neugierig.«
    »Aber es ist klug, klug, über die Zukunft Bescheid zu wissen. Du weißt dann, was du meiden musst, was dir bevorsteht, wenn du nicht auf der Hut bist. Los doch, du hast die Taschen voll Geld. Viel Geld. Ich weiß Dinge, die dir nützlich sein werden.«
    Wahrscheinlich steckt in jeder Frau der Drang, einen Blick in die Zukunft zu tun; mir war das schon bei anderen Mädchen aufgefallen. Ellie öffnete ihre Handtasche und legte der Alten zwei halbe Kronen in die Hand.
    »Ah, meine Schöne, das ist recht. Nun höre, was die alte Mutter Lee dir zu sagen hat.«
    Ellie streifte den Handschuh ab und legte ihre kleine feingliedrige Hand in die Klaue der Alten. Die blickte darauf nieder, murmelte: »Und was haben wir da? Was sehen wir da?«
    Plötzlich ließ sie Ellies Hand fallen, als habe sie sich daran verbrannt.
    »Fahr lieber weg von hier, schnell – geh und komm niemals zurück! Das rate ich dir, und ich irre mich nie. Es zeigt sich in deiner Hand. Denk nicht mehr an Gipsy’s Acre, vergiss, dass du’s jemals gesehen hast. Nicht nur das verfallene Haus da oben – der Boden selbst ist verflucht.«
    »Das ist schon eine Manie bei Ihnen«, fuhr ich sie an. »Und überhaupt, die junge Dame hat mit der ganzen Sache gar nichts zu tun. Sie ist hier nur spazieren gegangen, sie kommt von außerhalb, und diese Gegend sagt ihr gar nichts.«
    Die Alte beachtete mich nicht. Starrsinnig fuhr sie fort: »Ich rate dir gut, Miss, ich warne dich. Du kannst ein glückliches Leben führen – solange du nur jegliche Gefahr meidest. Meide die Orte, die verflucht sind oder gefährlich für dich. Kehr zurück dahin, wo man dich liebt und umsorgt, wo du gut aufgehoben bist. Du musst in sichere Obhut, merk dir das. Sonst… sonst…« Sie schüttelte sich. »Ich will’s nicht sehen, ich will nicht sehen, was in deiner Hand eingegraben ist.«
    Unvermutet drückte sie mit seltsam brüsker Bewegung Ellie die beiden Halb-Kronen-Stücke wieder in die Hand, wobei sie nur halb Verständliches vor sich hin murmelte. Ich glaubte, so etwas zu hören wie: »Grausam, grausam ist das Schicksal.« Dann wandte sie sich um und stolzierte hastig davon.
    »Was für eine… was für eine schreckliche Frau«, sagte Ellie.
    »Kümmern Sie sich nicht um sie«, sagte ich schroff, »die ist sowieso nicht ganz richtig im Kopf. Sie will Ihnen nur einen Schrecken einjagen. Für die Leute ist dieser Ort hier etwas Besonderes. Sie dichten ihm Dinge an…«
    »Haben sich hier Unfälle ereignet? Ist Schlimmes passiert?«
    »Unbedingt unfallträchtig, diese Ecke. Betrachten Sie doch allein die Kurve und dann die schmale Fahrbahn. Man sollte den Landrat dafür auspeitschen, dass hier nichts geändert wird. Natürlich muss es da zu Unfällen kommen. Es gibt ja nicht einmal ein Vorwarnschild.«
    »Nur Unfälle oder auch anderes?«
    »Hören Sie mal«, begann ich, »die Leute weiden sich doch am Unglück anderer. Sie sammeln direkt die Unglücksfälle, und davon gibt es jederzeit genug. Auf diese Art entstehen dann Gerüchte.«
    »Das ist wohl einer der Gründe, warum man glaubt, dass der Besitz billig zu haben sein wird?«
    »Na ja, wahrscheinlich. Jedenfalls unter den Ortsansässigen. Aber ich glaube nicht, dass er an einen Einheimischen gehen wird. Eher schon an ein Siedlungsunternehmen. Aber Sie frösteln ja«, unterbrach ich mich. »Kommen Sie, wir wollen lieber loslaufen. Sollen wir uns schon vor dem Ort trennen, wäre Ihnen das angenehmer?«
    »Aber nein, nicht doch. Warum auch?«
    Ich machte einen waghalsigen Vorstoß. »Passen Sie auf, ich habe morgen in Market Chadwell zu tun. Sie… Ich weiß zwar nicht, ob Sie dann noch da sind, aber… Ich meine, besteht die Möglichkeit, sich dort zu treffen?« Ich wandte das Gesicht ab, denn ich spürte, dass ich errötete. Aber wenn ich es jetzt nicht herausbrachte, wie sollte ich dann jemals weiterkommen?
    »Doch, ja«, sagte sie. »Ich fahre erst am Abend nach London
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