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Mord Nach Maß

Mord Nach Maß

Titel: Mord Nach Maß
Autoren: Agatha Christie
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zurück.«
    »Dann könnten wir vielleicht… würden Sie… Aber das ist wohl ziemlich unverfroren…«
    »Nein, das ist es nicht.«
    »Also: Würden Sie vielleicht mit mir eine Tasse Tee trinken, im Café? Es heißt, glaube ich, Blue Dog, und es soll ganz nett dort sein. Es ist… Ich meine, es…« Das Wort, das ich suchte, wollte mir nicht einfallen, deshalb benutzte ich den Ausdruck, den ich ein- oder zweimal von meiner Mutter gehört hatte. »Es ist durchaus standesgemäß für Sie«, sagte ich eifrig.
    Da lachte Ellie laut auf. Wahrscheinlich hörte sich »standesgemäß« in modernen Ohren ziemlich komisch an.
    »Es wird bestimmt sehr nett«, meinte sie dann. »Ja, ich komme. Um halb fünf, ist Ihnen das recht?«
    »Ich werde Sie erwarten«, versprach ich. »Und ich… ich freue mich sehr.« Ich sagte ihr nicht, worüber ich mich freute.
    Inzwischen waren wir zur letzten Wegbiegung gekommen, hinter der bereits die ersten Häuser standen.
    »Dann adieu«, sagte ich. »Bis morgen. Und… denken Sie nicht mehr an das, was die alte Hexe da gegeifert hat. Sie spielt bloß den Kinderschreck. Schließlich ist sie nicht ganz bei Verstand.«
    »Haben Sie denn das Gefühl, dass einem der Platz dort oben Angst einjagt?«, fragte Ellie.
    » Gipsy’s Acre? Keine Spur.« Vielleicht sagte ich das mit einer Spur zuviel Nachdruck, aber ich hielt den Platz wirklich nicht für furchteinflößend. Nein, für mich war er nach wie vor wunderschön, ein wundervoller Rahmen für ein wundervolles Haus.
    Derart also verlief meine erste Begegnung mit Ellie. Am nächsten Tag saß ich im Blue Dog von Market Chadwell und wartete auf sie; und sie kam. Wir tranken Tee miteinander, und wir unterhielten uns. Immer noch sprachen wir kaum über uns selbst, das heißt über das Leben, das wir bisher geführt hatten. Statt dessen erläuterten wir dem anderen unsere Gedanken, unsere Gefühle. Und dann sah Ellie auf die Uhr und sagte, sie müsse jetzt aufbrechen, der Zug nach London gehe um halb sechs…
    »Ich denke, Sie sind motorisiert?«, fragte ich.
    Das verwirrte sie etwas, und sie beteuerte, nein, nicht doch, dieser Wagen von gestern, der habe nicht ihr gehört. Sie sagte aber nicht, wem sonst. Wieder senkte sich Verlegenheit wie ein Schatten über uns. Schließlich winkte ich der Kellnerin und zahlte, und dann fragte ich Ellie geradeheraus: »Werde ich… kann ich Sie wiedersehen?«
    Sie hob die Augen nicht vom Tischtuch. »Ich bleibe noch vierzehn Tage in London.«
    »Wo? Und wie…«
    Wir verabredeten ein Rendezvous im Regent’s Park, in drei Tagen. Das Wetter war herrlich. Wir speisten im Gartenrestaurant, promenierten im Queen Mary’s Garden und ließen uns schließlich plaudernd in zwei Gartenstühlen nieder. Von nun an begannen wir auch über uns selbst zu sprechen. Ich erzählte ihr, dass ich eine ganz ordentliche Schulbildung genossen hätte, aber weiter kein großes Kirchenlicht sei, schilderte ihr meine Jobs bis auf wenige Ausnahmen und gestand ihr, dass ich es nie lange bei einer Sache ausgehalten, dass mich immer wieder die Unrast gepackt hatte, ich vom einen zum anderen getrieben worden war. Seltsamerweise war sie davon ganz hingerissen.
    »So ein Unterschied«, sagte sie versonnen. »Herrlich, dieser Unterschied.«
    »Unterschied wozu?«
    »Mir.«
    »Sie sind wohl ein Kind reicher Eltern?«, neckte ich sie. »Ein armes, kleines reiches Mädchen?«
    »Jawohl, das bin ich: ein armes reiches Mädchen.«
    In Bruchstücken erzählte sie mir dann von ihrem Leben in erstickendem Überfluss, Langeweile, in Konventionen und Vorschriften, wie sie sich niemals die Freunde wählen durfte, die ihr gefielen, oder tun, was ihr behagte; wie sie die Leute beneidete, wenn sie sie ein Leben genießen sah, das ihr verschlossen blieb. Sie hatte ihre Mutter früh verloren, ihr Vater hatte ein zweites Mal geheiratet. Und dann war auch er gestorben, erzählte sie. Ich erriet, dass sie ihrer Stiefmutter nicht sehr zugetan war. Die meiste Zeit hielt sie sich in den USA auf, reiste aber auch ziemlich viel.
    Mir kam es phantastisch vor, dass ein Mädchen dieses Jahrhunderts noch so behütet und bevormundet leben sollte; gewiss, sie besuchte Partys und Zerstreuungen, aber nach der Art, wie sie davon sprach, hätten sie auch fünfzig Jahre zurückliegen können. Niemals schien sie dabei in näheren Kontakt mit anderen, niemals wirklich auf ihre Kosten gekommen zu sein. Ihr Lebensstil unterschied sich von meinem wie Tag und Nacht. Bis zu einem gewissen
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