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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris
Autoren: Petra Kirsch
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Monate schien vorbei, die
Kraft des Winters gebrochen zu sein. Endlich. Sie blieb stehen und atmete die
frische, prickelnde Luft mit geschlossenen Augen tief ein und aus. Heiterkeit,
vermengt mit einer kleinen Prise Zuversicht, erfüllte sie und tilgte augenblicklich
ihre Übellaunigkeit der frühen Morgenstunden. Schließlich setzte sie sich
wieder in Bewegung und legte den Rest des Weges mit gedrosseltem Tempo zurück.
Wer sie so schlendernd durch die Kaiserstraße gehen sah, hätte in ihr eine
Spaziergängerin oder eine Touristin vermuten können, die auf Nürnbergs
teuerstem Pflaster die Schaufensterauslagen begutachtete.
    Um drei viertel neun öffnete sie die Tür zu ihrem
Büro. Enttäuscht registrierte sie, dass es verwaist und kalt war. Die beiden
anheimelnden Konstanten ihres Arbeitsalltags fehlten: Gesellschaft und Wärme.
Ohne den Mantel abzulegen, marschierte sie zur Heizung unter dem Fenster und
drehte den Regulator auf die höchste Stufe. Erst als sie sich an ihren
Schreibtisch setzte, sah sie den gelben Zettel, der auf ihrem Telefonhörer
klebte:
    An: Fr. Steiner
    Von: E. Brunner
    Zeit: 8.06 Uhr
    Mitteilung: Fahre jetzt
in die Eichendorffstraße 73. Allein, da Sie leider nicht da sind und Herr
Bartels sich für heute krankgemeldet hat. Werde dort die Ermittlungen leiten
und auf Ihr Eintreffen warten.
    Noch bevor sie die Notiz zu Ende gelesen hatte,
waren der Verdruss und die schlechte Laune zu ihr zurückgekehrt. Hatten sich
durch diese Mitteilung noch um ein gehöriges Maß potenziert. Hier machte ja
jeder, was er wollte! Der eine feierte krank, gerade wie es ihm in den Sinn
kam, und es kam ihm immer öfter in den Sinn. Und die andere mit ihren
lächerlichen fünfundzwanzig Jahren maßte sich Befugnisse an, die ihr in keiner
Weise zustanden! Die nur ihr als Leiterin der Kommission zukamen. »Werde dort
die Ermittlungen leiten. Da Sie leider nicht da sind«. Eine Unverschämtheit ihr
gegenüber war das.
    Am meisten störte sie das »leider« in der Notiz. Was
gab es da zu bedauern, wenn sie nicht zur selben Zeit wie ihre übereifrige
Kollegin im Büro war? Und selbst wenn sie erst verspätet hier eintreffen würde,
wäre das kein Grund für einen derartigen versteckten Tadel, den sie aus diesem
»leider« heraushörte. Sie hatte ihre Kommission nicht mehr im Griff, das musste
und würde sie ändern. Und zwar heute noch. Sie in ihrem Alter und mit ihrer
Erfahrung, ihrem Wissen ließ sich doch nicht von diesen beiden Grünschnäbeln
auf der Nase herumtanzen! In dem Moment, als sie in dieser Gedankenkette nur
mehr ein klitzekleines Glied von einem handfesten Wutausbruch trennte,
klingelte das Telefon.
    »Na endlich, Paula, dass man dich auch mal erwischt!
Ich versuche es schon seit einer Stunde. Wo warst du denn die ganze Zeit?«,
fragte Matthias Breitkopf, ihr Kollege vom Kriminaldauerdienst, zwar leutselig,
aber auch ein wenig vorwurfsvoll.
    »Wo ich war? Das kann ich dir sagen: auf dem Weg
hierher. Nur zur Erinnerung, lieber Matthias, falls dir das in deiner freien
Zeit über das Wochenende entfallen sein sollte: Meine offizielle Arbeitszeit
hat noch gar nicht begonnen. Die beginnt nämlich erst Punkt neun Uhr, also«,
sie sah auf ihre Armbanduhr, »in zwölf Minuten. Wenn du mich dann immer noch
nicht am Telefon erwischst, kannst du mich gerne fragen, wo ich gewesen bin.«
    »Oh, da ist aber jemand heute mit dem linken Bein
zuerst aufgestanden. Das ist man bei dir gar nicht gewöhnt, so viel schlechte
Laune schon am frühen Vormittag.«
    »Ich habe keine schlechte Laune!«, schrie sie in den
Hörer. »Noch nicht. Das kann sich aber bald ändern, wenn du weiter so …«
    »Ist ja schon gut, Paula, reg dich nicht auf. Der
Grund, warum ich anrufe, ist der: Zum einen hat sich Heinrich krankgemeldet,
und zum andern hat man in der Eichendorffstraße eine weibliche Leiche gefunden.
Die Nachbarin dieser Frau ist aufmerksam geworden, weil sich unter der
Wohnungstür ihr gegenüber ein roter Fleck, in dem sie eine Blutlache vermutete,
ausgebreitet hat. Sie hat die Schutzpolizei verständigt, die haben die Wohnung
aufgebrochen, dann haben die mich informiert, ich habe es wiederum an Fleischmann
gemeldet, weil ich ja wissen musste, wer von euch das übernehmen soll, und
Fleischmann wollte dich unbedingt damit beauftragen. Nachdem du aber noch
nicht«, Breitkopf suchte nach einer harmlosen Formulierung, »so früh, also vor
Dienstbeginn sozusagen, an deinem Platz warst und demzufolge nur Frau Brunner
zu sprechen
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