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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris
Autoren: Petra Kirsch
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jede
Genugtuung: Sie würde heute noch Frau Brunner für einige Tage vom Dienst
suspendieren. In dieser Zeit würde sie versuchen, die Mitarbeiterin aus ihrer
Abteilung wegzuloben. Kollege Jörg Trommen, Leiter einer Ermittlungskommission
wie sie selbst, hatte in der Vergangenheit wiederholt versucht, ihr die Brunner
abspenstig zu machen. Doch, das passte. Für beide Seiten. Bei Trommen mit
seiner strengen Hierarchie und der eindeutigen, linearen Befehlsstruktur wäre
Eva Brunner besser aufgehoben als bei ihr.
    Vor der Wohnung rechter Hand stand ein gedrungener
Polizist mittleren Alters Wache, rotes aufgedunsenes Gesicht, kurzer
Bürstenschnitt. Neben ihm, an die Wand gelehnt, entdeckte sie den grauen
abgeschabten Metallkoffer Klaus Dennerleins, in dem der Kriminaltechniker seine
Gerätschaften transportierte. Die Tür stand einen Spaltbreit offen. Sie zog
ihren Ausweis aus der Manteltasche und stellte sich vor.
    »Dann lösen Sie wohl jetzt die Einsatzleiterin Brunner
ab?«
    Sie verzichtete auf eine Richtigstellung, antwortete
nur: »Ja, so könnte man das nennen.«
    »Möchten Sie einen Mundschutz, bevor Sie reingehen?«
    »Ist das denn nötig?«
    »Meiner Meinung nach nicht. Meiner Meinung nach ist es
nicht so schlimm, wie Ihre Vorgängerin getan hat. Es riecht ein wenig staubig,
aber das ist auch schon alles. Aber wenn Sie wollen, hole ich Ihnen gerne
etwas.«
    »Nein danke. Ich versuch’s erst mal so.«
    Der Polizist deutete auf den hellen Fußabstreifer aus
Bast, der zur Hälfte dunkelrotbraun gefärbt war. Paula nickte als Zeichen, dass
sie darüber hinwegtreten würde. Dann schob er die Wohnungstür vorsichtig nach
innen, um sie einzulassen.
    Nur zwanzig Zentimeter hinter der Tür lag eine tote
Frau, mager und ausgezehrt, mit seltsam verrenkter Beinhaltung. Die Arme waren
zu den Seiten ausgestreckt, so weit das in dem vollgestellten Flur, in dem sich
Obstkisten bis knapp unter die Decke stapelten, möglich war. Große kreisrunde
dunkelbraune Flecken am Bauch und in der Herzgegend, ein altmodisch geblümter
Rock, der von den hervortretenden Hüftknochen fast bis an die Knöchel reichte,
eine durch die umgebende Leichenblässe noch vogelartiger wirkende spitze Nase,
die spärlichen, eindeutig gefärbten oder getönten Haare sorgfältig auf
extrabreite Lockenwickler gedreht. Am Kopf der Toten stand Dr. Frieder
Müdsam, Paula der liebste von allen Gerichtsmedizinern, und lächelte sie an.
    »Ich hatte schon damit gerechnet, dass du demnächst
eintreffen würdest. Dass es allerdings jetzt doch so schnell ging, hatte ich
nicht vermutet. Es ist auf jeden Fall schön, sehr schön sogar, dass du«, sagte
er mit Betonung auf dem Personalpronomen, »nun da bist.«
    Das war alles, was er von sich aus zum Fall Brunner
sagte – und auch in Zukunft sagen würde. Müdsam war zu beherrscht und auf dem
zwischenmenschlichen Sektor zu wenig neugierig, um sich an den internen
Klatschspiralen zu beteiligen, was sie manchmal bedauerte. Wer immer ihm etwas
Pikantes aus dem Kollegenkreis erzählen würde, musste nicht befürchten, dass
der Pathologe dies weitertrug. Es versandete bei ihm einfach wie ein einzelner
Tropfen Wasser in der Wüste. Und doch oder gerade deshalb war das Wenige, was
er ihr zur Begrüßung gesagt hatte, für sie Andeutung genug, um sich ein gutes,
hinlänglich genaues Bild vom Auftreten ihrer Mitarbeiterin machen zu können.
    »Also«, fuhr er fort, ohne ihr die Gelegenheit zu
diesbezüglichen Nachfragen zu geben, »in der Lage, wie du die Tote im Moment
siehst, haben wir sie nicht vorgefunden, obgleich sie in der Diele, und zwar
hier direkt hinter der Wohnungstür, ermordet wurde. Unsere Kollegen mussten die
Tür aufbrechen, um reinzukommen, dadurch haben sie ihre Stellung schon das
erste Mal verändert. Dann hat man sie so hingelegt, wie du sie jetzt siehst.
Wie ich bisher erkennen konnte, wurde sie erstochen. Mit einem Hirschfänger
oder etwas Ähnlichem, darauf lassen die Stichwunden schließen. Es muss auf
jeden Fall etwas mit einer breiten Klinge und einem zweischneidigen Schliff
gewesen sein. Erst in die Halsschlagader«, er bückte sich und zeigte auf die
schmale streichholzlange Wunde am seitlichen Halsansatz des Opfers, »und dann,
als sie nach hinten zusammensackte, noch mal in den Bauch und in die Lenden.
Ich denke, sie ist hier in der Diele verblutet. Hast du den Fleck auf und unter
dem Fußabstreifer gesehen?«
    Sie nickte.
    »Alles Weitere wie immer nach der Obduktion.«
    »Das heißt: Du
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