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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris
Autoren: Petra Kirsch
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war, habe ich deiner Mitarbeiterin gesagt, sie soll versuchen, dich
daheim zu erreichen, damit du gleich von da aus dahinfährst. Ohne den Umweg zum
Präsidium.«
    »Mich hat niemand versucht, daheim zu erreichen. Wann
hast du denn mit Frau Brunner gesprochen?«
    »Das war«, sie hörte das rasche Umblättern von Papier,
»exakt um sieben Uhr dreiundfünfzig. Oh, dann hat sie wohl nicht bei dir
angerufen?«
    »Nein, hat sie nicht. Aber das macht nichts«, log
Paula tapfer, »dann mache ich mich halt jetzt gleich auf den Weg. Übrigens
danke für die Informationen.«
    Ihr Groll Breitkopf gegenüber hatte sich während des
Gesprächs verflüchtigt. Sie bedauerte jetzt, ihn anfangs dermaßen angeblafft zu
haben. Und so fügte sie noch ein ebenso versöhnliches wie ernst gemeintes »Und
ein Extradank für deine Nachsicht und Geduld mit mir« hinzu. Dann legte sie
auf.
    Fast eine Dreiviertelstunde, rechnete sie nach, hätte
ihre Mitarbeiterin Zeit gehabt, sie daheim entweder über das Festnetz oder auf
dem Handy zu erreichen. Beides hatte sie nicht getan. Warum nicht? Sie musste
doch gewusst haben, dass sie damit eindeutig gegen die Dienstvorschriften
verstieß. Und genauso bewusst musste ihr in dem Moment gewesen sein, dass diese
Kompetenzüberschreitung irgendwann ans Licht kommen, zumindest ihr als ihrer
Vorgesetzten auffallen würde. Beides hatte sie billigend in Kauf genommen.
Warum?
    Es gab nur eine Antwort auf diese Frage: weil Eva
Brunner der Überzeugung war, sich diesen Verstoß gegen die Dienstvorschriften
und damit diesen Affront ihr gegenüber leisten zu können. Das sprach für
zweierlei: für ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl der Kommissar-Anwärterin, das
schon Züge von Überheblichkeit trug, sowie für ihre eigene geschwächte Position
als deren Vorgesetzte. Dagegen erschien selbst der unzuverlässige Heinrich mit
seiner elendiglichen Dauerkrankfeierei in einem milderen Licht. Und auch ihre
Hauptsorge – ihr bedrohlicher fünfzigster Geburtstag – war angesichts der
Brunner’schen dreisten Vorwitzigkeit ganz und gar vergessen.
    Geschlagene fünf Minuten saß Paula Steiner regungslos
an ihrem Schreibtisch und starrte leeren Blicks aus dem Fenster. Dann endlich
stand sie auf, legte sich die Jacke über die Schultern und verließ das Zimmer.
Als sie bereits im Innenhof des Präsidiums angekommen war und auf den Fuhrpark
zuging, blieb sie abrupt stehen. Machte dann kehrt und rannte die Treppen zu
ihrem Büro hoch. Dort schaltete sie mit einer Genugtuung, der eine Spur Häme
beigemengt war, die Heizung wieder auf null. Sie war nun entschlossen, sich die
Hoheitsgewalt in ihrer Kommission mit aller Kraft und allen Mitteln
zurückzuerobern. Und Eva Brunner sollte, wenn sie in dieses Zimmer
zurückkehrte, es genauso ungemütlich und kalt vorfinden wie sie selbst heute an
diesem frühen Dienstagmorgen. Und dass das schon bald der Fall sein würde,
dafür würde sie umgehend sorgen.
    Eine knappe halbe Stunde später parkte sie den
Polizei- BMW in der so beschaulichen wie biederen
Händelstraße, einer kurzen Seitengasse der viel befahrenen Eichendorffstraße,
die vor allem den zahlreichen Pendlern aus dem östlichen Nürnberger Umland als
Ausfallstraße diente. Seitdem sie den Entschluss gefasst hatte, sich in ihrer
Kommission wieder als Primus inter pares zu behaupten, war ihre aufsteigende
Wut verraucht, und auch der Anflug von Selbstzweifeln hatte sich verabschiedet.
Sämtliche widersprechende Gefühlsregungen der zurückliegenden Stunden wurden
durch ihre Entscheidung und den Willen, sich in ihrer Kommission wieder an die
Spitze zu setzen, kurzerhand ausgelöscht.
    Sie hatte sich im Griff, war klar im Kopf und
entschlossen zum Handeln – und sogar ein wenig vergnügt. Als sie den Wagen
abschloss, strahlte sie eine beeindruckende Ruhe und Gelassenheit aus. In
diesem Moment hätte man den Kopf einer Buddha-Statue nach ihr meißeln können.
    Schon von Weitem sah sie die dicht an dicht geparkten
Einsatz-, Notarzt- und Rettungswagen vor der Hausnummer 73 sowie eine
Menschentraube, bestehend aus sechs oder sieben sehr jungen Schutzpolizisten,
von denen zwei rauchten. Und in deren Mitte Eva Brunner, die sich bestens zu
amüsieren schien. Paula näherte sich der Gruppe von hinten ohne Eile, fast
schon bedächtig. Aber es war kein Zögern in ihrem Gang, eher der
zielgerichtete, tänzelnde Anlauf eines Panthers, der bald von hinten zum Sprung
auf seine Beute ansetzen wird.
    Als sie die Gruppe erreicht hatte, sahen
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