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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris
Autoren: Petra Kirsch
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könntest eigentlich schon wieder
gehen?«
    »Ja, ich bin so weit durch.«
    »Wo sind denn die andern?«
    »Die warten auf dem Balkon auf dich. Klaus, kommst du
mal?«, rief Müdsam. »Paula ist jetzt da.«
    Sekunden später stand Klaus Dennerlein vor ihr und
begrüßte sie mit einem verschwörerischen Grinsen.
    »Na endlich. Das wurde aber auch Zeit, dass du kommst.
Deine Brunner hat hier nur alles aufgehalten.«
    Bevor sie ihn unterbrechen konnte, fuhr er fort.
»Also, was ist? Das komplette Programm?«
    »Natürlich. Warum fragst du?«
    Als Antwort öffnete er die Tür zu dem Zimmer, aus dem
er gekommen war, und deutete mit dem Kopf in den Raum.
    »Um Gottes willen!«, sagte sie mehr zu sich als zu
Dennerlein. »Das ist ja furchtbar.«
    Der Größe nach zu urteilen, musste das das Wohnzimmer
sein. Paula hatte im Fernsehen schon einmal die Behausung eines männlichen
Messies gesehen; beim Zappen war sie bei der Reportage eines Privatsenders
fasziniert hängen geblieben. Aber das hier war die direkte brutale Realität,
das war live. Das hier war überhaupt nicht grell, dramatisch und spannend,
sondern nur banal und trist. Anrührend in seinem stummen Elend.
    Ein vor langen Jahren weiß gestrichener Raum, heute
fahlgelb, genau wie die fleckigen Kunststoffgardinen. Kein Wandschmuck, die
Fensterbretter vollgestellt mit Nippes und verwelkten Topfpflanzen. Bücher,
Zeitungen, Kataloge und Prospekte, Tüten, defekte Haushaltsgeräte und Werkzeug
aller Altersstufen bis an die Decke in den zahllosen Regalen hochgestapelt, die
im Schulterschluss die Wände bedeckten. Riesige Haufen von Kleidungsstücken,
Schuhen, Decken und Kissen auf dem Boden. Dazwischen und darauf Plastiktüten,
Kisten, Kartons und Koffer, aus denen wiederum Alltagsgegenstände mit und ohne
Gebrauchsspuren hervorquollen.
    Dennoch erkannte sie in dem Chaos den vergeblichen
Versuch, so etwas wie Ordnung in die Unordnung zu bringen. Denn all die
Behältnisse schienen thematisch sortiert zu sein. Vor ihr stand ein billiger
Pappkoffer, der aufgeklappt und ausschließlich mit schwarzen
Plastikkleiderbügeln bestückt war. Aus einer Abfalltüte ganz hinten schauten
zwanzig – oder waren es dreißig, gar vierzig? – Fahrrad-Luftpumpen hervor.
    Die Haufen und Stapel überwucherten das eigentliche
Mobiliar, begruben es unter sich und machten es unbenutzbar. So glaubte sie,
vor der Regalwand eine Sitzgruppe aus grünem Cordsamt, bestehend aus zwei
Sesseln und einem Sofa, zu sehen. Und an der rechten Längsseite einen
Schreibtisch, der unter der Last von sechs oder sieben ineinander verhakten
Stühlen ächzte. Ein ausgetretener, höchstens zehn Zentimeter breiter Pfad
führte zur Balkontür. Dieses Zimmer war für Außenstehende eine abstoßende
Müllkippe.
    »Die anderen Räume sind genauso vollgemüllt, Paula.
Wenn du auf einer gründlichen Spurensicherung bestehst, wären Klaus und ich die
nächsten Wochen damit mehr als ausgelastet. Das ist eine Beschäftigungstherapie
für arbeitslose Kriminaltechniker.«
    Bevor Dennerlein zu Ende gesprochen hatte, hatte sie
sich schon entschieden.
    »Nein, das braucht es nicht. Zumal mir Frieder gerade
gesagt hat, dass sich der Mord direkt hinter der Wohnungstür ereignet hat. Sie
wird die Tür geöffnet haben, der Täter, der seine Waffe mitgebracht hat, sticht
ihr erst in den Hals, dann rammt er ihr das Messer in den Bauch und verlässt
kurz darauf das Haus. Sie wird ihn kaum in die Wohnung hereingebeten haben.
Wohin auch? Nein, das war eine Sache von ein paar Minuten. Ich bin mir sicher, da
werdet ihr keine Spuren außer in der Diele finden.«
    »Ich sehe das wie du. Wer immer sie getötet hat, muss
sie völlig überrumpelt haben, denn in der Küche steht noch ein Becher mit einem
Teebeutel. Also nehmen wir uns vor allem die Diele vor, wenn Frieder weg ist.
Vorher geht es nicht.«
    »Ist die Tote denn schon fotografiert worden?«
    »Das war das Erste, was wir gemacht haben. Bernd ist
übrigens auf dem Balkon und wartet auf dein Okay, dass er gehen kann.«
    »Gut. Dann sag ich ihm das jetzt.«
    Sie wollte schon auf den schmalen Trampelpfad treten,
da gab ihr Dennerlein zu verstehen, dass sie stehen bleiben sollte.
    »Du musst mich erst rauslassen, dann kannst du
durchgehen. Nicht drängeln, Frau Steiner.«
    Nachdem er an ihr vorbei in den Flur geschlüpft war,
betrat sie das Wohnzimmer. Sie musste Schritt vor Schritt setzen, so schmal war
der Durchlass. Der Balkon bot das gleiche triste Bild: vollgestellt mit
ausrangierten
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