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Mord im Spiegel

Mord im Spiegel

Titel: Mord im Spiegel
Autoren: Agatha Christie
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gereist und hatte Kinder und Enkel an den verschiedensten Orten des Globus besucht. Hin und wieder war sie zurückgekommen, um sich in der Abgeschiedenheit ihres Hauses zu erholen. »Gossington Hall«, selbst hatte ein- oder zweimal den Besitzer gewechselt. Zuerst war es ein Gästehaus gewesen, das Pleite machte, dann hatten es vier Leute gekauft, es in vier Wohnungen aufgeteilt und sich sofort zu streiten angefangen. Schließlich war es vom Gesundheitsministerium erworben worden, aus irgendwelchen obskuren Gründen, aus denen man es schließlich doch nicht brauchen konnte. Das Ministerium hatte den Landsitz veräußert, und dieser Verkauf war es, über den die beiden Freundinnen sich im Augenblick unterhielten.
    »Es sind natürlich nur Gerüchte«, meinte Miss Marple.
    »Natürlich«, antwortete Mrs Bantry. »Es wurde sogar behauptet, dass Charlie Chaplin mit seinen vielen Kindern hier wohnen wollte. Das wäre wirklich eine große Freude für mich gewesen. Leider ist kein Wort davon wahr. Nein, es steht fest, dass Marina Gregg es gekauft hat.«
    »Was für eine schöne Frau sie gewesen ist«, sagte Miss Marple und seufzte. »Ich erinnere mich noch genau an ihre ersten Filme. ›Zugvögel‹ zum Beispiel, mit dem gut aussehenden Joel Robert. Und ›Maria Stuart‹. Und natürlich ›Im Kornfeld‹, sehr sentimental, aber mir gefiel der Film. Ach, meine Liebe, das ist lange her.«
    »Ja«, bestätigte Mrs Bantry. »Sie muss jetzt – was glaubst du, ist sie erst fünfundvierzig oder schon fünfzig?«
    Miss Marple schätzte sie auf fünfzig. »Hat sie in letzter Zeit gefilmt? Natürlich gehe ich heute nicht mehr so oft ins Kino.«
    »Nur Nebenrollen«, antwortete Mrs Bantry. »Obwohl sie viele Jahre ein Star war. Sie hatte einen schlimmen Nervenzusammenbruch. Nach einer ihrer Scheidungen.«
    »Was für eine Menge Ehemänner solche Frauen haben«, sagte Miss Marple. »Muss ziemlich mühsam sein.«
    »Mir würde so was nicht gefallen«, sagte Mrs Bantry. »Erst verliebt man sich in einen Mann und heiratet ihn und gewöhnt sich an seine Eigenheiten und richtet sich gemütlich ein – und plötzlich wirft man alles hin und fängt von vorne an. Das ist doch Wahnsinn!«
    »Ich kann nicht mitreden«, meinte Miss Marple mit einem altjüngferlichen Hüsteln, »weil ich nie verheiratet war. Aber ich finde so was auch sehr bedauerlich.«
    »Vermutlich können sie nicht anders«, sagte Mrs Bantry etwas unbestimmt. »Bei dem Leben, das sie führen müssen! Immer in der Öffentlichkeit, verstehst du? Ich habe sie mal kennen gelernt. Ich meine, Marina Gregg. Als ich in Kalifornien war.«
    »Wie ist sie denn?«, fragte Miss Marple interessiert.
    »Charmant«, antwortete Mrs Bantry. »So natürlich und unverdorben.« Nachdenklich fügte sie hinzu: »Es ist wie eine Maske.«
    »Was meinst du damit?«
    »Wenn man ständig natürlich und freundlich tun muss. Man lernt, wie man es macht, und dann wird es einem zur zweiten Natur, man kann nicht mehr anders. Stell dir mal vor, wie entsetzlich das ist, wenn man nie mal aus seiner Haut fahren und sagen darf: ›Ach, scher dich zum Teufel! Stör mich nicht länger damit!‹ Ich finde, aus reinem Selbsterhaltungstrieb muss man sich da ab und zu betrinken oder ein verrücktes Fest feiern.«
    »Sie hatte fünf Männer, nicht wahr?«
    »Mindestens. Sie hat beim ersten Mal sehr jung geheiratet, jemanden, der nicht zählt. Dann einen Prinzen oder Grafen, jedenfalls einen Ausländer, dann Robert Truscott, den Filmstar. Angeblich war es die große Liebe. Sie dauerte nur vier Jahre. Dann kam Isidore Wright, der Schriftsteller, es wurde ruhiger um sie, sie bekam sogar ein Kind. Anscheinend hatte sie immer Kinder haben wollen. Fast hätte sie ein paar Waisen adoptiert. Jedenfalls war sie sehr glücklich. Es wurde viel Rummel gemacht – die werdende Mutter, die Erfüllung ihres Lebens und so. Doch das Kind war schwachsinnig oder irgend so etwas. Sie hatte einen Nervenzusammenbruch und wurde in der Folge süchtig, nahm Tabletten und Rauschgift und so weiter, und sie spielte in dieser Zeit auch in keinem Film mehr mit.«
    »Du weißt eine Menge über sie«, sagte Miss Marple.
    »Das ist nur selbstverständlich«, antwortete Mrs Bantry. »Als sie ›Gossington‹ kaufte, begann sie mich zu interessieren. Mit ihrem jetzigen Mann ist sie ungefähr zwei Jahre verheiratet, und sie soll wieder ganz in Ordnung sein. Er ist Filmproduzent. Oder ist er Regisseur? Ich bringe es immer wieder durcheinander. Es soll
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