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Mord im Bergwald

Mord im Bergwald

Titel: Mord im Bergwald
Autoren: Nicola Förg
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Lederhose, ein Karohemd, Weste. Auf Irmi wirkte er noch schmaler als beim letzten Treffen. Vitus wurde gerade von einer entzückten Holländerin fotografiert, die »sein schönes Bart« lobte.
    »Griaß enk.« Vitus lächelte.
    Irmi freute sich, ihn zu sehen. Sie wusste nicht genau, warum, aber in seiner Anwesenheit fühlte sie sich sicher. Er strahlte eine Souveränität aus, die allumfassend war. Mit Vitus an der Seite gab es immer Auswege.
    »Ich hob mit 'm Hansi scho g'redt: Er moant, ma kimmt aui, oben stehn s' am Tunnel, und unten ham s' a den Wanderweg abg'sperrt. Die üben im Tunnel, sagt der Hansi. Irgendwas mit Sprengen und ABC-Abwehr.« In Vitus' Stimme lag Abscheu.
    »Könnten wir den Tunnel denn umgehen?«, fragte Irmi.
    »Offiziell ned. I moan, ma kimmt scho ummi, aber des is a gacher Steig.«
    Einen Steig, den sogar Vitus als steil bezeichnete, traute Irmi sich nicht unbedingt zu.
    »Schauen wir erst mal«, meinte sie und löste zwei Karten für die Gondel. Vitus hatte eine Jahreskarte.
    An der Kasse wurden sie darauf hingewiesen, dass die Bundeswehr vor Ort sei, man aber die Aussichtsterrasse genießen, das Fernrohr besichtigen und den Rundweg machen könne. Die Mitarbeiterin schien frisch von einer Schulung zu kommen – die hätte dem vierschrötigen Typen auf der Tourismusinformation sicher auch nicht geschadet.
    Irmi reichte Kathi die Karte. Die beiden sahen aus wie zwei Touristinnen, die einen besonders urigen Bergführer mit einem großen Rucksack angeheuert hatten, Mutter und Tochter auf Bergausflug. Die Bahn hatte immer noch den bizarren Charme der Sechzigerjahre. Bei dem Kabinenführer handelte es sich augenscheinlich um Hansi. Er plauderte mit Vitus, grüßte freundlich und telefonierte dann mit seiner Frau über eine geplante Bergtour und darüber, welche »Wandersöcklan« die Tochter tragen solle. Tirol war nah, geografisch und sprachlich.
    Irmi war schon ewig nicht mehr hier gewesen, in dieser Bahn hoch über dem steinernen Bergmeer. In den Karen lag noch Schnee. Er sah unwirklich aus: nicht wie watteweiches Weiß, sondern wie angegilbte Plastikplatten mit unregelmäßigen Waben. Irmi fielen die Ohren zu, während die Bahn schnell die Höhenmeter machte.
    Einer der Mitpassagiere, ein Mann in den Sechzigern, hatte offenbar Sprechperlen gefressen. Unentwegt kommentierte er die Ereignisse in dunkelstem Schwäbisch. Im Falle eines Falles sei auch die Evakuierung kein Problem. »Do musch zum Leiterle obe naus«, sagte er zu seiner Frau. »Gell, Herr Schaffner?«
    Hansi gab ein grummelndes Geräusch von sich, das man als »ja« hätte deuten können.
    Ein anderer Tourist machte sich Sorgen, weil sich der Fußweg durch Kare und Geröllfelder zog. »Da brauchsch du gude Schuh«, belehrte er seine Frau. O ja, das Sandalenpärchen sah wenig geländegängig aus.
    Irmi sah konzentriert aus dem Fenster und war auf einmal froh über ihre Berufswahl. Touristische Tätigkeiten waren ja ein einziger kleiner Horrorladen. Die Gondel glitt mühelos dahin, und es wippte kaum, wenn sie über die Stützen schoss. Schattenflecken huschten über die Kare, bald würde es zuziehen.
    Plötzlich war das berühmte Riesenfernrohr zu sehen, das Irmi nur aus der Zeitung kannte. Ein imposanter Koloss aus Holz, Stahl und Beton, der am Felsen klebte und ins Tal hinunterblickte.
    »Wie g'fallt dir des?«, fragte Vitus und sah Kathi an.
    »Ich glaube, gut. Es ist ein Kontrast, es ist ungewöhnlich. Mutig. Keine piefige Zwischenlösung, oder?«
    Vitus nickte. Irmi spürte, dass auch Kathi von Vitus' Präsenz angezogen war. Sie war neben Irmi getreten und flüsterte: »Ich tät mir das überlegen mit dem Vitus. Das ist schon ein guter Typ.«
    »Dumme Nuss!«, zischte Irmi zurück.
    Als sie oben angekommen waren, ließen sie den Touristen den Vortritt. Diese strömten nach rechts zum Cafe und zur Terrasse. Irmi, Kathi und Vitus gingen fast zögerlich nach links. Nun galt es.
    Zwei Feldjäger hatten sich am Tunneleingang aufgebaut. »Hier ist kein Durchgang.«
    Irmi zückte ihre Dienstmarke. »Mein Team und ich ermitteln in einer Mordsache. Wir müssen Hauptfeldwebel Filser sprechen.« Sie zögerte kurz. Ihr Herz raste. »Das ist mit Oberst Grau abgesprochen.«
    Die beiden sahen sich unsicher an.
    »Ja, was nun?« Vitus, der die jungen Männer an Körpergröße weit überragte, machte einen Schritt auf sie zu. Eine Taktik, die sich auszahlte.
    »Wir wollen keinen Ärger«, sagte der eine. »Am Ende des Tunnels steht noch ein
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