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Mord im Bergwald

Mord im Bergwald

Titel: Mord im Bergwald
Autoren: Nicola Förg
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hätte sie ihn zwanzig Jahre früher überhaupt angesehen und wahrgenommen?
    Als Gerhard sein rostiges Auto startete, wusste sie, dass das der Anfang vom Ende war. Sie hätte ein Glas Wein mit ihm trinken wollen, einfach so, sich die Stute noch mal ausleihen, ihn fragen, ob er Lust hätte, zu einem großen Fest zu kommen. Lauter harmlose Dinge, die nun weit weg lagen. Aber sie traute sich nicht, ihn anzurufen.
    In den wenigen Tagen mit Gerhard hatte sie erstaunlicherweise kein einziges Mal an ihn gedacht. Gerhard war real gewesen, er nur die kühle Stimme am Telefon.
    Hinterher hatte Gerhard die Ereignisse der einen gemeinsamen Nacht auf den Alkohol geschoben. Eine Ohrfeige hätte weit weniger geschmerzt. Das hieß doch, dass er nur besoffen mit einer Frau schlief, die so alt wie seine Mutter war.
    Sie war neunundvierzig Jahre alt gewesen. Und sie war bereit gewesen, zu fühlen und zu lieben und das zu tun, was nur sie beide etwas angegangen wäre. Aber er war zu schwach gewesen, das zuzulassen. Alle Männer bisher waren zu schwach gewesen ... Er ja letztlich auch.
    Wie hatte sie so naiv sein können?, fragte sie sich jetzt.
    Und Irmi verstand Kathi nur zu gut.
    Als Kathi mit dem frisch aufgebrühten Kaffee zurückkam, sah sie neugierig auf den Umschlag, den Södermann mitgebracht hatte.
    »Mach ihn auf. Los!«, sagte sie aufgeregt. »Das sollte uns jetzt interessieren, oder?«
    Irmi riss das Kuvert auf: Zahlen, Listen, Hieroglyphen. Sie hielt ihrer Kollegin das Geschriebene unter die Nase. Diese zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, was das sein soll.«
    Irmi stürmte ins Nachbarbüro. »Wo ist Sailer?«
    »Auf Streife.«
    »Soll sofort herkommen, und wenn ich sofort sage, meine ich schneller als sofort, nämlich schneller als der Schall.«
    Der Schall kam leicht verzögert nach dreizehn Minuten an.
    »Frau Irmgard, wo brennt's denn?«
    »Setzen, Sailer! Lesen, nachdenken und uns sagen, was das ist!«
    Sailer starrte Irmi an, als sähe er sie zum ersten Mal. »Sicher«, sagte er. »Wenn's wichtig is?«
    »Ja, es ist wichtig, Herr Sailer.«
    Sailer begann in den Papieren zu blättern. Er nahm sich eins nach dem anderen vor. Seine Stirn war gerunzelt. Bedächtig schichtete er die Blätter um.
    »Und?« Kathi schrie fast vor Aufregung.
    »Moment.« Er sortierte die Blätter fertig, ehe er sich im Stuhl zurücklehnte und herzhaft »so« sagte.
    »So?«, riefen Irmi und Kathi gleichzeitig.
    »Immer mit der Ruh, die Mädels«, sagte Sailer. »Des is interessant.«
    »So, des is interessant.« Irmi versuchte sich im Zaum zu halten. »Das nehmen wir auch an, dass das interessant sein könnte. Dürfen wir teilhaben an Ihrem Wissen, Sailer?«
    »Also, des is so«, hob Sailer an.
    Irmi beschloss, Sailer beim nächsten »so« zu erwürgen.
    »Des san Ergebnisse von Sportwettkämpfen beim Barras. 5000-Meter-Lauf und Kugelstoßen. Schaugn S' her: Da stehen die Disziplinen, das sind die Zeiten.«
    »Ja und?«, fragte Kathi genervt.
    Sailer grinste. Wenn das bei seinem runden Schädel und seinen Schweinsäuglein überhaupt möglich war, hätte man sagen mögen: ›Er grinste diabolisch.‹
    »Wenn Sie mal schaugn, Frau Irmgard. Und vergleichen.«
    Irmi hatte den Computerausdruck in der Hand und einen handgeschriebenen Zettel.
    »Vergleichen Sie das mal!«, rief Sailer.
    Irmi studierte die Zahlen. »Die stimmen nicht überein«, sagte sie nach einer Weile.
    Sailer strahlte. »Eben.«
    Irmi war verwirrt und starrte wieder auf die Zettel. »Sailer, was bedeutet das?«
    »Schaugen S', Frau Irmgard. Da hot jemand handschriftlich die Zeiten aufg'schriebn. Also, i moan der, der wo gestoppt hat und dann eben die Zeiten der Teilnehmer aufg'schriebn hot. Aber des, was dann auf der offiziellen Listn steht, liest se ganz anders.« Sailer deutete auf ein paar Zahlen. »Der is g'laffn wie a Schneckn, aber in der Listn steht er mit der Zeit wie der Usain Bolt oder wie der hoaßt.«
    Irmi starrte Sailer an.
    »Und warum?«
    »Frau Irmgard, so a Wettkampf is Pflicht beim Barras. Du muaßt a Mindestleistung bringen. Wer befördert werden will, muaß se onstrenga. Die Obern schaugn drauf.«
    Für Irmi war das alles nicht so recht nachvollziehbar. »Ob das wohl länger so ging?«, fragte sie.
    »Ja, des ham de öfter g'macht, scheint's, des san die Ergebnisse von de letzten drei Johr.«
    Irmi dachte nach. Ihr Herz klopfte. »Das muss ja auch einer oder mehrere notiert haben?«
    »Ja, klar. Aber de am Sportplatz stehn, machn doch bloß ihren Servus
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